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Die Qual Des Herrn Wahl

Regensburg Digital
April 15, 2016

http://www.regensburg-digital.de/die-qual-des-herrn-wahl/15042016/

Beim „Duett mit den Domspatzen“ vergangenen Samstag im Audimax kamen auch drei Ehemalige vorbei, um Info-Blatter an die Besucher zu verteilen. Was sie fordern beschreibt Wolfgang Blaschka in seinem Gastbeitrag fur regensburg-digital.

Diskussion vor dem Horsaal-Gebaude: Wolfgang Blaschka und Chormanager Christof Hartmann. Fotos: Herbert Baumgartner

Drei ehemalige Domspatzen, die zum Mitsingkonzert im Audimax der Regensburger Uni mit Flugblattern auftauchten, wollten nicht frohliche Volksweisen mitsingen, sondern eine andere, eher traurige Melodie von den Dachern pfeifen: Die Anwendung brutaler Gewalt in der Spatzen-Dressur fruherer Zeiten. So etwas wird nicht gern gehort. Schon gar nicht, wenn es auch um sexuelle Ubergriffe geht: Eltern und Angehorige reagieren auf so etwas verstandlicherweise hochst sensibel. Die Verantwortlichen der Einrichtung dulden derartige Thematisierungen erst gar nicht bei ihren Veranstaltungen. Sie mochten am liebsten nichts davon horen, am besten von nichts dergleichen wissen.

Bereits nach kurzester Zeit tauchte der Chormanager im unteren Foyer auf und komplimentierte die Flyer-Verteiler hoflich aber bestimmt vor die Tur, mit bewahrtem Hinweis auf das Hausrecht, das zwar vermutlich nicht fur das gesamte Gebaude galt, sondern nur fur den Horsaal, jedoch selbstverstandlich umfassend in Anspruch genommen wurde.

Ubergriffe in den 2000er Jahren

Kein Problem fur die drei: Verteilten sie ihre Info-Blatter eben in der schummrigen Unterfuhrung und pfiffen ihre Botschaft quasi aus der Tiefgarage. Die wurde von den Konzertbesuchern mit gro?em Interesse gehort. Ihre Zettel wurden ihnen formlich aus der Hand gerissen. Geistert doch aktuell der dustere Verdacht durch die Domstadt, die Praventions-Ma?nahmen gegen sexuelle Ubergriffe, worauf die heutige Internatsfuhrung stolz verweist, wurden eventuell doch nicht so luckenlos greifen wie erhofft: Ein damals bereits volljahriger Oberstufen-Schuler sei Mitte der zweitausender Jahre zwei jungeren Internatszoglingen gegenuber sexuell ubergriffig geworden. Weil das juristisch nicht verjahrt ware, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die Domspatzen scheinen hiervon wie elektrisiert.

Auch wenn der Vorwurf nicht das aktuelle Erziehungspersonal betrifft, so doch immerhin die Institution, die von sich behauptet, sich nunmehr der Aufklarung verpflichtet langst hochster Transparenz und Offenheit zu beflei?igen. Doch sobald es konkret wird mit der angemahnten Offenheit, wird nach wie vor gebunkert mit fadenscheinigen Ausfluchten. Transparenz sieht deutlich anders aus.

Pikante Personalie Sturmius Wagner: Jahresberichte fehlen

Als Chormanager Christof Hartmann mit zwei Freikarten auftauchte, um die vor die Tur Geschassten zu versohnen und zum „Duett mit den Domspatzen“ einzuladen, sah er sich mit dem Vorwurf konfrontiert, seine Zusage nach der Diskussion im Ostentor-Kino nicht eingehalten zu haben: „Sie horen von mir“, hatte er versprochen. Nichts war zu horen! Nicht von ihm. Es ging um eine noch ausstehende Antwort zur Anfrage wegen dreier unveroffentlichter Jahresberichte von Anfang der Siebziger Jahre, aus deren Zeitraum ausgerechnet die pikante Personalie „Sturmius Wagner“ datiert und bis heute Ratsel aufgibt. Viele andere Jahresberichte stehen in der Bayerischen Staatsbibliothek zur Einsicht, nur diese drei eben seltsamerweise nicht, aus welchen Grunden auch immer. Hatte es mit dem Direktorenwechsel von Hofler zu Wollenweber zu tun? Was sollte dabei das Problem gewesen sein? Hochst dubios!



Welche Spuren mussen da heute noch verwischt werden? Gab es signifikant hohere vorzeitige Austritts-Zahlen wahrend der Jahre? Geheimnisse werden umso spannender je mehr man welche draus macht. Wenn es denn keine gibt, schadet Offenlegung nichts. Das Interesse der Offentlichkeit wiegt allemal schwer. Doch nicht einmal vitales Interesse ehemaliger Domspatzen an ihren eigenen Erinnerungs-Daten scheint fur das Musikgymnasium zu zahlen. Sie werden hingehalten, vertrostet und abgewimmelt. Wie peinlich!

Stattdessen antwortete der Schulleiter des Musikgymnasiums Berthold Wahl: Es bliebe ihm aus Datenschutzgrunden leider keine andere Wahl als das Ansinnen auf nachtragliche Publikation der fraglichen Bande zuerst dem Kultusministerium zur rechtlichen Uberprufung vorzulegen; zumindest wolle er es im Kuratorium thematisieren. Mehr konne er nun leider nicht tun. Der Berichtspflicht gegenuber dem zustandigen Ministerialbeauftragten sei langst Genuge getan. Inzwischen habe er Antwort aus Munchen erhalten. Dem Interesse ehemaliger Schuler an ihren Schulkameraden und Klassenfotos konne er daher nicht voll umfanglich entsprechen, weil ansonsten alle darin Vorkommenden zuerst um ihr Einverstandnis gebeten werden mussten. Ein aussichtsloses Unterfangen, das heute nicht mehr realisierbar sei, wie er gequalt anmerkt, um immerhin anzubieten, in einzelnen Fallen auf berechtigte Anfrage hin auch gezielt Auskunfte zu erteilen, allerdings maximal klassen- bzw. jahrgangsstufenweise. Wo bliebe jetzt da der Datenschutz, falls jedes Auskunftbegehren kunftighin aktenkundig werden sollte? Was hatte das noch mit Informationsfreiheit zu schaffen?

Warum fallen ausgerechnet diese Jahre unter den Tisch?

Hat Herr Wahl denn nichts wichtigeres zu tun als massenhaft Anfragen zu irgendwelchen Schulern aus dem letzten Jahrhundert einzeln zu beantworten? Dabei ginge es viel einfacher, wie die aktuelle Praxis beweist: In jungeren Jahresberichten gibt es sogar Fotos zu jeder Klasse und Namensnennung der Klassensprecher, ohne Bedenken gegen heute gultige Datenschutzbestimmungen zu versto?en, die es vormals ohnehin nicht gab. Damals schien es kein Problem, heute anscheinend noch viel weitergehender auch nicht, wenn auch unter Weglassung des Wohnorts der Eltern, was allenfalls das spatere Auffinden fruherer Freunde erschwert. Warum jedoch sind ausgerechnet die bewussten Jahre 1970 bis 1973 ratselhafterweise unter den Tisch gefallen?! Was war denn da los im Kaff?

Wozu blo? die hartnackige Weigerung, langst verstaubte Dokumente aus dem Archiv zu holen und (der Praktikabilitat halber notfalls auch nur digital) einer breiten Offentlichkeit und der wissenschaftlichen Forschung zuganglich zu machen? Welche „Leichen“ liegen da unter miefendem Linoleumboden? Wobei selbst dieser im Verbindungsgang mit Aula samt Speisesaal und Hauskapelle spurlos abgebrochen verschwindet. Auch Etterzhausen ist langst mit Einfamilienhausern zugebaut. So verfluchtigen sich allmahlich alte Tatorte. Umso wichtiger wird es Betroffenen, als Erinnerungs-Stutzen zumindest magere schriftliche Quellen zuganglich zu haben.

Erst Verweis auf’s Hausrecht, dann Freikarten…

Solange die Informationspolitik so restriktiv bleibt, konnen alle Beteuerungen zu ruckhaltloser und umfassender Aufklarung nicht ernst genommen werden. Es bleibt der madige Geruch historischer Vertuschung, den doch die Domspatzen irgendwann einmal abgestreift haben wollten, oder etwa nicht? Herr Wahl sollte sich seiner Qual entledigen und die Berichte endlich herausrucken, bevor sie eines Tages irgendein „Kaff-Leak“ doch noch ans Licht befordert, dann moglicherweise zum Schaden seiner Schule. Er konnte sich Muhe geben, deren angekratzten Ruf aufzupolieren, anstatt das bereits ramponierte Ansehen weiterhin mit faulen Ausreden zu bekleckern und das fruher Versaumte zu verschleppen bis in alle Ewigkeit. Amen.

Kryptifizierung der fruhen 70er Jahre noch lange nicht gegessen

Die zunachst verscheuchten und dann zum Mitsingen Eingeladenen verzichteten auf ihre Teilnahme, zumal sie von einem jungen Platzanweiser am Betreten des Saales gehindert wurden. Wahrend der Auffuhrung sei nun mal kein Einlass. Lieber zischelte der vorwitzige Turwachter aufgeregter als notig mitten in den Gesang hinein, als ein stilles Einnehmen der reichlich vorhandenen Platze zu gestatten, spatestens beim nachsten Applaus. Bis zur Pause wollten die so brusk Abgewiesenen dann freilich doch nicht warten. Gewartet hatten sie schon viel zu lange in ihrem Leben. Da starkten sie sich lieber im nahen Kneitinger-Keller und spulten’s runter. Womit die ebenso bruskierende wie sinnlos bemuhte Kryptifizierung der fruhen 70er Jahre noch lange nicht gegessen ware.

 

 

 

 

 




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