BishopAccountability.org

Missbrauchs-Skandal: Aufklärung stockt

By Von Tino Nowitzki
NDR
July 08, 2016

http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Missbrauchs-Skandal-Aufklaerung-stockt,bistum180.html

Die Aufklärung der Missbrauchsfälle im Bistum Hildesheim verzögert sich, weil kein Gutachter gefunden wird.

Die Aufklärung der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den ehemaligen Bischof Heinrich Maria Janssen und Pfarrer Peter R. stockt. Anfang des Jahres hatte das Bistum Hildesheim angekündigt, in beiden Fällen unabhängige Gutachter einsetzen zu wollen. Damals hieß es, Experten wollen sich "in Kürze" mit den Fällen befassen. Doch die Suche nach Gutachtern gestalte sich schwieriger als gedacht, sagt Bistums-Sprecher Volker Bauerfeld. Konkrete Gründe wollte er nicht nennen: "Die Ursachen liegen aber außerhalb der Kirche", so Bauerfeld. Gesucht würden Experten ohne Verbindung zur katholischen Kirche und mit Erfahrung in Fällen von sexuellem Missbrauch. Die Hoffnung sei weiter, möglichst schnell einen Gutachter beauftragen zu können. Bauerfeld: "Wir möchten das aufklären."

Fall Janssen war länger bekannt

Die Fälle von Bischof Janssen und Pfarrer Peter R. wurden Ende des Jahres 2015 bekannt. Im Fall von Janssen wandte sich das bereits 70-jährige Opfer erst nach Jahrzehnten im Frühjahr an das Bistum. Er gab an, Janssen habe ihn als Minderjährigen in den 50er- und 60er Jahren missbraucht. Nach Angaben des Bistums Hildesheim habe der Mann aber zunächst um Verschwiegenheit gebeten. Das Bistum Hildesheim sei mit Fall trotzdem im November 2015 an die Öffentlichkeit gegangen, weil Recherchen des Spiegels es nötig gemacht hätten, so Bistums-Sprecher Volker Bauerfeld. Das Opfer erhielt von der Kirche eine "finanzielle Anerkennung des Leids" in Höhe von 10.000 Euro.

30.000 Euro für Opfer

Diese Zahlungen für Opfer sexuellen Missbrauchs gibt es seit 2011 - sie werden von einem Gremium der Deutschen Bischofskonferenz bestimmt, das aus Juristen, Psychologen und Theologen besteht. Opfer können Anträge an das für sie zuständige Bistum stellen, die vom Gremium geprüft und beurteilt werden. "Da wird auch geguckt, ob der Täter zur fraglichen Zeit überhaupt im Land war", so Bauerfeld. Würden die Anschuldigungen glaubhaft erscheinen, gebe das Gremium der Bischofskonferenz eine Empfehlung über die Höhe des Ausgleichs an das jeweilige Bistum. In den 5 seit 2011 bekannt gewordenen Fällen im Bereich des Bistums Hildesheim wurden insgesamt 30.000 Euro ausgezahlt. Deutschlandweit gingen gar über 1.100 Anträge für finanzielle Anerkennung ein. Oft würden die Bistümer auch die Therapiekosten für Opfer übernehmen. In den Fällen von Bischof Janssen und Pfarrer Peter R. sei das aber nicht geschehen, so Bauerfeld.

Schuld nicht geklärt

Die "finanzielle Anerkennung des Leids" sei allerdings keine Frage von Schuld, sagt der Bistums-Sprecher: "Schuldsprüche kann nur die Justiz leisten." Im Fall von Bischof Janssen ist das schwierig: Der Geistliche verstarb 80-Jährig im Oktober 1988. Deswegen sei auch ein Schuldeingeständnis seitens des Bistums schwierig: "Das kann letztlich nur der Täter selbst", so Bauerfeld. Das schließe aber keinesfalls Mitgefühl aus für das Leid derer, die durch Mitglieder der Kirche missbraucht wurden: "Unser Bestürzen ist groß." Die Ausgleichszahlungen seien deswegen eher symbolisch zu sehen. Selbstkritik gibt es bei der Frage, wie die katholische Kirche als Ganzes lange mit der Frage des Missbrauchs umgegangen ist. Bistums-Sprecher Bauerfeld: "Das war nicht richtig".

Über 10.000 Geistliche sind Täter

Seit ein paar Jahren jedoch treibt die Kirche die Aufklärung der Missbrauchs-Fälle voran: 2011 kündigte sie dazu eine Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen an, die zwei Jahre später aber scheiterte. Seitdem gibt es Forschungen unter dem Verbundprojekt "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz". Nach Angaben des Forschungskonsortiums sei es die weltweit erste Arbeit dieser Art. Erst im Juni hat das Konsortium erste Zwischenergebnisse vorgestellt. Demnach hätten Studien gezeigt, dass es in den bisher bekannten internationalen Fällen über 10.000 Würdenträger der katholischen Kirche im Alter von 15 bis 90 Jahren zu Tätern wurden. Demgegenüber stehen Fast 16.000 Opfer im Alter von 0 bis 25. Hauptursache seien demnach sexuelle Unreife oder Persönlichkeitsstörungen der Täter. Pädophilie stehe erst an dritter Stelle. Die Folgen für die Opfer sind zumeist Schlafstörungen, Esstörungen, Panikattacken, Depressionen oder der Selbstmord. Die Studie dauert an: Unter anderem werden derzeit Strafakten katholischer Geistlicher aus Deutschland untersucht und Interviews mit Tätern und Opfern durchgeführt. Die Studie soll Ende 2017 beendet sein.




.


Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.