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Bistumer Zahlen Unterschiedlich Viel Entschadigung

By Meliha Verderber
Hessenschau
September 8, 2016

http://hessenschau.de/gesellschaft/hessische-bistuemer-zahlen-unterschiedlich-viel-entschaedigung,zahlungen-an-missbrauchsopfer-100.html

Knapp 100 Missbrauchsopfer in Hessen haben bisher Entschadigungszahlungen von der katholischen Kirche erhalten. Uber die Hohe der Summe entscheiden die Bistumer selbst - aus Sicht von Opfern nicht immer fair.

Manfred Kopp betritt seit Jahren keine Kirche mehr. "Ich kann das nicht mehr", sagt der 61-Jahrige aus Wiesbaden. Der Grund: Er war ein Heimkind im katholischen St. Antoniusheim in Wiesbaden und wurde dort uber mehrere Jahre hinweg von einem Pfarrer sexuell missbraucht. Dieser war dorthin strafversetzt worden, weil er zuvor in Augsburg straffallig geworden war. Auch dort hatte er sich an Kindern vergangen.

Kopps Leidensgeschichte ist kein Einzelfall. Bereits vor zehn Jahren hatte sich der heutige Fruhrentner an eine Hilfsstelle in Berlin gewandt und als einer der ersten ehemaligen Heimkinder seinen Missbrauch publik gemacht. "Damals hatte das allerdings keinen interessiert. Die Resonanz ging gen null", erinnert er sich.

"Leistungen in Anerkennung des Leids der Opfer"

Erst einige Jahre spater, im Januar 2010, stie? ein Bericht uber den jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch an Schulern am Berliner Canisiuskolleg eine bundesweite Debatte an. Weitere Enthullungen uber Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in kirchlichen und anderen Einrichtungen erschutterten das Vertrauen vieler Menschen in die Kirchen massiv. Es folgten zehntausende Kirchenaustritte.

Betroffene wie Manfred Kopp konnen bei der katholischen Kirche sogenannte "Leistungen in Anerkennung des Leids der Opfer" beantragen. Bundesweit haben das nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz bislang rund 1.700 Menschen getan. Die Zentrale Koordinierungsstelle (ZKS) bei der Deutschen Bischofskonferenz pruft jeden einzelnen Antrag und befurwortet den Angaben zufolge in den meisten Fallen eine Zahlung und empfiehlt auch jeweils die Hohe der Leistung. Die Bistumer, in denen der Missbrauch geschehen ist, entscheiden dann am Ende jedoch selbst daruber, wie viel sie an die Antragsteller jeweils zahlen.

Bislang meldeten sich 92 Missbrauchsopfer in Hessen

In den drei gro?en hessischen Bistumern sind bis Ende August insgesamt 92 Antrage gestellt worden. Im Bistum Mainz wurden nach Angaben eines Sprechers 40 von 44 Antragen bewilligt. Drei Antrage seien abgelehnt worden, ein Fall sei derzeit noch offen. Bislang hat das Bistum eine Gesamtsumme von 236.000 Euro an die Antragsteller gezahlt. Das sind durchschnittlich 5.900 Euro pro Missbrauchsopfer.

Im Bistum Limburg gingen bislang 34 Antrage ein. Davon seien 33 bewilligt worden, teilte ein Sprecher mit. Insgesamt hat das Bistum bisher 111.000 Euro gezahlt, im Schnitt rund 3.364 Euro pro Antragsteller.

Deutlich weniger Antrage sind im Bistum Fulda gestellt worden. Nach Angaben eines Sprechers haben alle bisherigen 14 Antragsteller insgesamt 45.500 Euro erhalten, durchschnittlich 3.250 Euro je Antragsteller. Nicht berucksichtigt sind Therapiekosten, die die Bistumer in den meisten Fallen auch ubernehmen.

Ahnliche Unterschiede zeigen sich bei den bislang geleisteten Hochstbetragen: Wahrend das Bistum Mainz 13.000 Euro als hochste Einzelsumme gezahlt hat, waren es im Bistum Limburg 15.000 Euro und im Bistum Fulda lediglich 8.000 Euro. Die Mindestsumme betragt hingegen in allen Bistumern 1.000 Euro.

"Das Zahlungssystem ist unfair"

Dass die Kirche uber jeden Fall einzeln entscheidet, kritisiert Hans Kloos vom Verein ehemaliger Heimkinder. Der heute 66-Jahrige war selbst als Kind und Jugendlicher in drei verschiedenen Heimen untergebracht, zuletzt funf Jahre lang auch im Wiesbadener St. Antoniusheim. "Die Kirchen gehen mit jedem gemeldeten Missbrauchsfall anders um. Das ist unertraglich", sagt Kloos, der eine klare einheitliche Regelung vermisst.

"Jedes Bistum entscheidet unterschiedlich uber die Hohe der Entschadigung. Fur den Betroffenen ist das Prozedere eine Tortur und eine Wiederholung des erfahrenen Leids", beklagt er. Konkret meint er damit, dass die Betroffenen ein acht Seiten umfassendes Antragsformular ausfullen mussen und im Beisein eines Juristen und Psychologen uber den erlebten Missbrauch personlich befragt werden. Auch nach Zeugen und anderen Betroffenen werde man dabei gefragt, so Kloos. Fur viele sei das abschreckend.

Wann zahlen die Bistumer uberdurchschnittlich viel?

Bei der Deutschen Bischofskonferenz sieht man das jedoch anders: Die Zahl der bisher eingegangenen Antrage sei durchaus beachtlich und spreche nicht dafur, dass sich Betroffene abschrecken lie?en, erklarte Sprecher Matthias Kopp auf Nachfrage. Lediglich in schwerwiegenden Fallen werde ein Betroffener personlich befragt.

Bei der Frage, woraus sich die von den Bistumern bislang gezahlten Maximalbetrage ergeben haben, verweist der Sprecher auf die Bistumer. Das Bistum Mainz erklarte dazu, dass es sich bei den Zahlungen an die Empfehlung der ZKS der Deutschen Bischofskonferenz halte. Weitere Details zum Zustandekommen einer Zahlungshohe nannte der Sprecher nicht. Ein Sprecher des Bistums Fulda erklarte hingegen: "Die Schwankungen in der Hohe der Leistungen in Anerkennung erfahrenen Leids begrunden sich in der unterschiedlichen Schwere der Tat und auch den Tatfolgen, die ein Opfer subjektiv empfindet." Ein weiteres Kriterium sei auch die Frage, ob es ein einmaliger oder wiederholter Missbrauch war. Vom Bistum Limburg liegt zu dieser Frage bisher keine Stellungnahme vor.

"Zahlungen sind keine Wiedergutmachung"

Im Fall von Manfred Kopp haben die Bistumer Limburg und Augsburg jeweils 4.000 Euro gezahlt, womit Kopp Mietschulden beglich, die bei ihm wahrend eines Klinikaufenthalts aufgelaufen waren. Das hessische Versorgungsamt bewilligte ihm zudem eine steuerfreie Zuwendung zusatzlich zu seiner Erwerbsunfahigkeitsrente in Hohe von rund 900 Euro. "Damit komme ich nun gerade so zurecht", so Kopp.

Doch das Leid, das ihm widerfahren sei, sagt er, sei mit der geleisteten Zahlung nicht wiedergutgemacht. Kopp will deshalb Schmerzensgeld vom Bistum Limburg einklagen, auch wenn sein Peiniger bereits verstorben ist. Nach eigenen Angaben wurde er von ihm 28 Mal vergewaltigt. "Was mir damals widerfahren ist, habe ich in meinem Tagebuch aufgeschrieben, zum Gluck."

 

 

 

 

 




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