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Ndr-missbrauchskampagne Gegen Die Kirche – 2015 Wie 2010 – Medienethisches Versagen Ard (10)

katholisches
September 25, 2016

http://www.katholisches.info/2016/09/24/ndr-missbrauchskampagne-gegen-die-kirche-2015-wie-2010-medienethisches-versagen-ard-10/

Heuchelei Kindesmissbrauch: Emporung uber Missbrauchsfalle durch Kleriker, Anti-Missbrauchsaktionen der Polizei (links), wahrend die Politik zugleich die Homosexualisierung fordert (Homo-Fahne, gehisst von der Stadtverwaltung vor dem Kolner Dom)

In einer beispiellosen Kampagne im Sinne von Schwarmjournalismus hatten die Medien im Fruhjahr 2010 die Kirche wegen Missbrauchsvorfallen an den Pranger gestellt. Damit verbreiteten sie in der Bevolkerung die absurd irrige Meinung, Kindesmissbrauch sei unter Priestern in der katholischen Kirche weit verbreitet. So lautete damals der Vorhalt des Allensbach-Instituts, dem 47 Prozent der Befragten zustimmte. Funf Jahre nach dem rufschadigenden Kampagnen-Journalismus, an dem sich auch der NDR beteiligte, schlagt der Sender mit einem neuen Filmbericht in die gleiche Kerbe.

Ein Gastbeitrag von Hubert Hecker.

Im Jahre 2011 hatte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen in einer reprasentativen Studie 11.428 Personen zwischen 16 und 40 Jahren nach Missbrauchserfahrungen befragt. Daraus ergab sich, dass 683 Personen (knapp sechs Prozent der Befragten) vor dem 16. Lebensjahr mindestens einmal Opfer von Missbrauch geworden waren. Bei mehr als drei Viertel der den Opfern „bekannten“ Missbrauchstatern mit Korperkontakt (473 Betroffene) handelt es sich um mannliche Tater aus dem engen Familienkreis oder aus dem Umfeld der Eltern. Zugeordnet nach gesellschaftlichen Bereichen kamen fast einhundert Missbrauchstater bezuglich aller Sexualdelikte aus dem Schulbereich, jeweils um die vierzig aus dem Freizeit/Sportbereich sowie dem Heim- und Pflegekontext. Von den elftausend Befragten gab eine Person an, von einem katholischen Priester missbraucht worden zu sein.

Dieser extrem niedrige Wert von unter einem Promille kann allerdings unter verschiedenen Gesichtspunkten relativiert und damit hoher gewichtet werden. Gleichwohl zeigen diese empirischen Daten, dass das Gegenteil der medial verbreiteten These richtig ist: Missbrauchshandlungen sind in kirchlichen Einrichtungen eher selten verbreitet, jedenfalls weniger haufig als im sakularen Schul-, Freizeit- oder Pflegebereich. Dieses Ergebnis bestatigte der Kriminologe Prof. Hans-Ludwig Korber. Nach seinen Studien sind zolibatare Priester signifikant weniger in Missbrauchsverhalten verwickelt sind als die entsprechende nicht zolibatar lebende Mannergruppe. Schlie?lich sprechen Vergleichszahlen aus Hessen fur diese Tendenzen: Nach dem Aufruf der drei hessischen Bistumer von 2011 hatten sich 65 Opfer gemeldet, die angaben, in den Jahren seit 1945 von kirchlichen Mitarbeitern missbraucht worden zu sein. Das war weniger als die Halfte der Missbrauchsopfer an einer einzigen hessischen Heimschule, der Odenwaldschule, im Zeitraum von 1970 bis 1990.

Mit dieser Richtigstellung der statistischen Zahlen soll keinesfalls eine Marginalisierung von moralischer Schuld einhergehen oder gar eine Ent-Schuldigung. Jedes einzelne von einem Kleriker missbrauchte Kind ist eine Anklage, die sexuelle Verfuhrung einer Anzahl von Schutzbefohlenen schreit zum Himmel. Die Fehler der Bischofe bei der Behandlung der Missbrauchstater im letzten Jahrhundert beklagte kurzlich der australische Kardinal George Pell.

Diese ethische Perspektive, also die Compassion mit den Opfern und die Anklage gegen die Tater, darf in der offentlichen Debatte uber die verbreiteten Missbrauchsfalle nicht verdrangt werden. Zugleich muss die gesellschaftliche Diskussion daruber auch sachlich und realitatsgerecht gefuhrt werden, damit die missbrauchsbegunstigenden Strukturen erkannt sowie institutionelle und praventive Korrekturen eingeleitet werden konnen.

NDR-Anklage gegen katholische Kirche

Unter diesen Pramissen und auf dem Hintergrund der oben gegebenen Sachinformationen ist die folgende Untersuchung zu lesen, in der der Filmbericht des NDR uber das Bemuhen der deutschen Bischofe und Bischofskonferenz bei der Aufarbeitung und Bewertung der Missbrauchsfalle kritisch unter die Lupe genommen wird. Dabei soll ausdrucklich berechtigte Kritik der Sendung gewurdigt werden, etwa wenn auf das vereinzelte Fehlverhalten von kirchlichen Autoritaten in der Zeit vor 2010 hingewiesen wird. Andererseits sind eine Reihe von Passagen und Themen des Sendebeitrags zu beanstanden, die einseitig, tendenzios und voreingenommen, nicht neutral und objektiv behandelt werden: Ein weiterer Fall von medienethischem Versagen eines ARD-Senders.

Die Deutsche Bischofskonferenz hatte erstmals im Juni 2011 ein wissenschaftliches Forschungsprojekt zu Missbrauchsvorfallen in der katholischen Kirche in Auftrag gegeben. Nach dem Scheitern des ersten Ansatzes konnte die DBK am 23. 3. 2014 in Bonn ein neues interdisziplinare Forschungsprojekt vorstellten unter dem Thema: Sexueller Missbrauch an Minderjahrigen durch katholische Priester, Diakone und mannliche Ordensangehorige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. Bischof Dr. Stephan Ackermann (Trier), der Beauftragte der Bischofskonferenz fur Fragen sexuellen Missbrauchs, prasentierte das Forschungskonsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Harald Dre?ing vom Zentralinstitut fur Seelische Gesundheit in Mannheim als Verbundkoordinator. Daneben sind weitere sieben Forscher aus den kriminologischen Instituten von Gie?en und Heidelbergs sowie des Instituts fur Gerontologie der Universitat Heidelberg beteiligt.

Ein neues Forschungsprojekt fur Klarheit und Transparenz zu Missbrauchsfallen

Bischof Dr. Stephan Ackermann betonte bei der Vorstellung des neuen Projektes, dass die Kirche Klarheit und Transparenz uber den Missbrauch – um der Opfer willen anstrebe. Mit dem nun interdisziplinaren Forschungsverbund schopfe die Katholische Kirche neues Vertrauen in die Kooperationspartner. Diese werden wissenschaftlich und ethisch begleitet durch einen Beirat aus Betroffenen, Wissenschaftlern und Kirchenvertretern, der auch dieses Forscherkonsortium aus drei Bewerbergruppen ausgewahlt hat.

Prof. Dr. Harald Dre?ing erklarte, Ziel der auf dreieinhalb Jahre angelegten Studie sei es, den sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche sowohl fur die Betroffenen als auch fur die Offentlichkeit so transparent wie moglich aufzuarbeiten. Man wolle die Opfer von Anfang an miteinbeziehen. Im Mittelpunkt stunden die Opfer, diese seien die eigentlichen Experten, so Dre?ing. Auch werde es der Sache nicht gerecht, den Missbrauch auf eine Zahl zu reduzieren. Daher werde neben der quantitativen Datenerhebung vor allem die qualitative Analyse der Tater-Opfer-Institutionen-Dynamik im Fokus stehen, die sich auf biografische Interviews stutzt. Dieser psychologische Kontext sei der wesentlich neue Aspekt. Genauso wie die Tater-Opfer-Beziehung wird die Auseinandersetzung mit dem traumatischen Taterleben hinterfragt werden. Hierdurch sollen Einblicke in Taterstrategien und das Verhalten von Kirchenverantwortlichen gewonnen werden.

Als Untersuchungsgegenstand der empirischen Erhebung dienen Personalunterlagen seit 1945. Das Projekt will sich zunachst einen Uberblick uber die bestehenden Aktenbestande verschaffen, denn diese seien kirchenrechtlichen Vorgaben zufolge nach zehn Jahren zu vernichten, wie es auch in Klinik und Forschung der Fall sei, so Dre?ing. Alles, was an Material zur Verfugung stehe, werde ausgewertet.

Jugendtrainer gesteht Missbrauch von Jungen

Aus datenschutzrechtlichen Grunden wird die Auswertung der Personalakten durch Kirchenmitarbeiter vorgenommen, so dass Daten in anonymisierter Form an das Konsortium weitergeleitet werden. Um Transparenz zu wahren, wird dieser Vorgang unter Aufsicht einer juristischen Person dokumentiert und aufgezeichnet.

Prof. Dr. Dieter Dolling vom Kriminologischen Institut der Universitat Heidelberg verwies zusatzlich auf den Institutionenvergleich, der die Besonderheiten der Katholischen Kirche im Vergleich zu anderen Institutionen herausarbeiten soll. Hierzu werden auch au?erkirchliche Strafakten deutscher Staatsanwaltschaften ausgewertet, um eine vergleichende Analyse zu ermoglichen.

Mit diesem Themen-Komplex beschaftigt sich der NDR-Film Das Schweigen der Manner – Die katholische Kirche und der Kindesmissbrauch im ersten Teil. Die Sendung wurde am 16. Marz 2015 ausgestrahlt. Dazu im Folgenden eine kritische Auseinandersetzung, die auch als Beschwerde an den NDR ging.

Film-Recherche unter der Hermeneutik des Verdachts

Der NDR-Film kleidet alle seine Anfragen und Darstellungen zu dem DBK-Forschungsauftrag in eine Hermeneutik des Verdachts. Er

? stellt die Ehrlichkeit der katholischen Kirche bei der Aufarbeitung durch diesen neuen Forschungsansatz in Frage,

? fragt, wie frei die Wissenschaftlicher wirklich forschen konnten,

? unterstellt durch verschiedene Meinungsau?erungen, dass die Bischofe dabei Vertuschung betreiben wollten,

? stellt in den Raum, die Bischofe wurden dem Forschungsprojekt kein Vertrauen entgegenbringen und

? befurchtet, dass die angekundigte wissenschaftliche Aufarbeitung nicht viel mehr als ein PR-Aktion der Bischofe sei.

In der schriftlichen Einleitung zur Filmdokumentation hei?t es, dass die Filmautoren die Frage stellen: Wie ehrlich meint es die katholische Kirche wirklich mit der Aufarbeitung? Diese Recherchefrage nach der inneren Wahrhaftigkeit der auftraggebenden Kirche zur Missbrauchsaufarbeitung ist journalistisch kaum objektivierbar. Daher ziehen sich durch den ganzen Film zahlreiche Au?erungen von subjektiven Spekulationen um Motive und Einstellungen von anderen Priestern und Bischofen – etwa als Schutzmechanismen, Reputationssorge, Vertuschung, Ausgrenzung, Blockadehaltung, Verdrangung und was man sonst noch an Negativ-Haltungen fur moglich halten kann (Bischof Bode). Ein gewisser Hohepunkt in dieser Meinungenreihe ist die im Film unwidersprochene apodiktische Tatsachenbehauptung eines Missbrauchsopfer: Die Bischofe haben seit 2010 alles dafur getan, dass keine Aufarbeitung zustande kam. Teilweise scheinen die Interviewpartner zu solchen Vermutungen ermuntert worden zu sein. Gelegentlich werden subjektive Ansichten der Interviewten von den Filmautoren als Tatsachen-Behauptungen weitergefuhrt. Diese Art von journalistischer Aufbereitung eines Themas lauft eher in Richtung von Meinungs- und Stimmungsmache hinaus – jedenfalls dann, wenn die subjektiven Meinungen nicht mit Fakten, objektiven Aussagen oder wissenschaftlichen Studien belegt werden konnen. Das ist in diesem Film vielfach der Fall, wie an verschiedenen Beispielen gezeigt werden wird.

Die Wissenschaftler arbeiten ganz frei und ohne Einschrankungen

Journalistisch angemessen ist die weitere Fragestellung der Einleitungspassage, wie frei die Wissenschaftler wirklich forschen konnten. Bei der Beantwortung dieser Frage ware es sinnvoll gewesen, die Verfahrensweisen und Studienziele des Forschungsverbundes zu skizzieren. Aber auf die Modalitaten des Forschungsprojekts wird in dem dreiviertelstundigen Film genauso wenig eingegangen wie die Forscher selbst zu Wort kommen – auch nicht zu der obigen Filmfrage. Stattdessen reden dazu in mehreren Beitragen zwei Kirchenrechtler, die mit dem Projekt direkt nichts zu tun haben und deshalb die Frage nach den Bedingungen der Forscher nur vom Horensagen beantworten konnen, jedenfalls ungenau und fehlerhaft. Statt gesicherter Informationen werden auch in diesem Punkt subjektive Vermutungen und Unterstellungen zu Lasten der Kirche ins Feld gefuhrt – auch das kein Journalismus der Sorgfalt.

Die Redaktion hat offensichtlich bei ihrer Recherche mit den Wissenschaftlern gesprochen. Denn einer der Filmautoren, Sebastian Bellwinkel, gibt in der Film-Begleitsendung ndr Kultur am 16. 3. 19 Uhr deren Antwort wieder, dass sie ganz frei arbeiten und keinerlei Einschrankungen bei ihrer Forschung haben. Auch in diesem Fall passt der Redaktion die objektive Aussage der Forscher zu einer von der Kirche vollig unbeeinflussten Projektfuhrung anscheinend nicht ins Konzept, so dass sie diese Antwort in der ausgestrahlten Sendung unterschlagt.

Suggerieren und Verdachtigen

In der Sendung wird mehr oder weniger suggeriert, die Bischofe wollten im Rahmen des wissenschaftlichen Forschungsprojektes Vertuschung betreiben. Diese Verdachtigung wird zum Ersten an den Begriff Aktenvernichtung gekoppelt.

Bei dem mehrmaligen Vorkommen dieses Wortes wird jeweils suggeriert, dass gezielt belastende Akten vernichtet worden seien. Erst nachdem sich dieser Eindruck verfestigt hat, wird am Schluss dieser Themenbehandlung beilaufig erwahnt, dass nach kirchenrechtlicher Regelung Akten nach zehn Jahren vernichtet werden konnen. Die ganze entlastende Wahrheit aber besteht darin, dass diese Archivierungsregel kein kirchliches Sonderrecht ist, sondern auch in anderen sakularen Institutionen wie Kliniken oder Universitaten so vorgeschrieben ist und entsprechend gehandhabt wird. Diese allgemeine Archivregel der Aktenvernichtung nach zehn Jahren beschreibt also eine Rechtskonformitat und hat somit grundsatzlich erstmal nichts mit Vertuschung zu tun. Jedenfalls ist das mehrmalige Suggerieren von Vertuschung durch gezielte Aktenvernichtung, ohne das belegen und beweisen zu konnen, ein unlauteres journalistisches Vorgehen.

Den zweiten Verdachtigungsstrang mit dem Unterton der Vertuschung treibt der Film uber die primare Datenerhebung voran. Vorab sind zwei Punkte klarzustellen, auf die der Projektsprecher des Forschungskonsortiums hinwies:

Aus datenschutzrechtlichen Grunden werden die Sichtung und Erfassung der Personaldaten von Mitarbeitern des jeweiligen Bistums vorgenommen. Die so aufbereiteten Daten werden in anonymisierter Form an das Forscherkonsortium weitergeleitet.

Zur Vermeidung von Manipulationen und zur Wahrung der Transparenz wird dieser Vorgang unter Aufsicht einer neutralen, juristischen Person dokumentiert und aufgezeichnet. Der Leiter des Forschungskonsortiums, Prof. Dre?ing, erklarte auf der Bonner Pressekonferenz diese Regelung als ein rechtlich und wissenschaftlich abgesichertes Verfahren.

Kinderarzt gesteht Missbrauch von Jungen

Statt diese Sachinformationen aus erster Hand an die Zuschauer weiterzugeben, lasst der Film einen Kirchenrechtler zu Wort kommen, der den Vorgang nur aus zweiter Hand vom Horensagen kennt. Prof. Norbert Ludicke ist mit der befragten Sachlage nicht vertraut und kann daher nur Ungefahres und Fehlerhaftes aussagen. Die beiden oben ausgefuhrten Eckpunkte der primaren Datenerhebung erwahnt er gar nicht. Daher kommt er dann zu der falschen Folgerung fehlender Kontrolle bei der Materialsichtung. Allerdings druckt er sich sehr vorsichtig aus mit Formeln wie: So scheint es mir etc.

Ein der Sorgfalt verpflichteter Journalismus hatte diese Signale der Unsicherheit zum Anlass genommen, weitergehend zu recherchieren auf die oben erwahnten Eckdaten hin. Die Redaktion macht das Gegenteil. Sie erweitert und verfestigt die bedenklichen Vermutungen des Kirchenrechtlers zu Behauptungen wie: Die mit der Materialsichtung befassten Bistumsangestellten seien in dieser Sache dem Bischof zum Gehorsam verpflichtet. Abgesehen davon, dass diese Formel der Gehorsamsverpflichtung nur fur geweihte Priester gilt, stehen die kirchlichen Mitarbeiter in diesem Fall unter von den Wissenschaftlern formulierten Arbeitsauftragen, deren Ausfuhrung wiederum von einer neutralen juristischen Person beaufsichtigt wird. Daher ist auch die weitere Film-Behauptung falsch, dass alle Materialweitergabe im Ermessen des Bischofs liege. Mit dieser Falsch-Behauptung soll wohl wieder der Eindruck einer bischoflichen Vertuschung den Zuschauern ubermittelt werden. Ahnlich falsch lautet die Schlussbehauptung des Filmes, bei der Missbrauchsaufarbeitung gebe es keinerlei Kontrolle.

Dass diese Falsch- oder Suggestivbehauptungen bei den Zuschauern Wirkung zeigen, kann man an einem TV-Bericht der Frankfurter Rundschau ersehen: Der angeblich fehlende Wille der Bischofe zur Aufklarung wird zur Tatsache erklart, die Aufklarung selbst sei nicht glaubwurdig. Aufgrund der fehlerhaften Film-Darstellung von der Materialerhebung kommt die Zeitung zu dem Ergebnis, sogar die Wissenschaftlichkeit des Forschungsprojektes infragezustellen.

Nach diesen Ausfuhrungen muss der Film-Suggestion von einer Vertuschungsabsicht der Bischofe als unbewiesen und unbegrundet zuruckgewiesen werden. Im Ubrigen bringt der Film selbst ein Beispiel dafur, dass die Vertuschungsabsicht der Bischofe nicht zutrifft. Bischof Bode, der einzige Bistumsleiter, der zu diesem Punkt befragt wurde, stellte klar, dass er dafur sorgen werde, dass alle verfugbaren Akten – auch aus dem Geheimarchiv – den Forschern zur Verfugung gestellt wurden. Damit ist nach den Regeln des empirischen Forschens die These gesetzt, dass alle anderen Bischofe auch so handeln. Wenn man trotzdem die Behauptung des Vertuschens aufrechterhalten wollte, musste man das bei anderen Bischofen und Bistumern beweisen, was die Filmautoren aber nicht tun. Sie bleiben dagegen im vagen Bereich des Meinens und Unterstellens. Das ist ein unredliches journalistisches Vorgehen.

Die Missbrauchszahlen sind bei Zolibataren 36 Mal niedriger als beim mannlichen Durchschnitt der Bevolkerung

Ein weiterer zentraler Themenblock der Sendung besteht in der Frage nach den Tatern, ihren Motiven und Vermutungen zu weitergehenden institutionellen Bedingungen fur die Missbrauche wie etwa dem Zolibat.

Zu diesem Fragenkomplex liegen schon aus dem Jahre 2010 Untersuchungen von namhaften Wissenschaftlern vor wie die von dem forensischen Psychiater Prof. Hans-Ludwig Korber und dem Kriminologen Prof. Christian Pfeiffer. Beide Forscher kommen aufgrund von statistischen Studien unabhangig voneinander zu dem Ergebnis, dass die Gruppe der zolibataren Priester signifikant weniger haufig in Missbrauchsverhalten verwickelt ist als andere Manner der entsprechenden Altersgruppen. Nach Prof. Korber sind die Missbrauchszahlen bei katholischen Geistlichen 36 Mal niedriger als beim mannlichen Durchschnitt der Bevolkerung. Prof. Pfeiffer stutzte seine Aussage, dass nur 0,1 Prozent (= 1 Promille) der gesamten Missbrauchstater aus dem kirchlichen Bereich stammen, auf eine Befragung von 11.500 Personen.

Mitte 2010 vertraten laut Allensbach 47 Prozent der Befragten die absurd irrige Meinung: „Kindesmissbrauch ist unter Priestern in der katholischen Kirche weit verbreitet“. Wie oben erwahnt, lag der tatsachliche Anteil von Missbrauchsopfer durch kath. Priester bei 0,1 Prozent, bei sakularen Lehrpersonen bei 25 Prozent. Der vollig fehlerhafte Eindruck in der Offentlichkeit zum Rufschaden der Kirche war durch die Meinungs- und Stimmungsmache der Medien im Fruhjahr 2010 entstanden, an der sich auch der NDR beteiligt hatte. Funf Jahre nach diesen Fehlinformationen durch Kampagnen-Journalismus hatte die offentlich-rechtliche Anstalt die Pflicht gehabt, etwas gutzumachen und dem falschen Eindruck in der offentlichen Meinung entgegenzuwirken. Zumindest hatte man vom NDR erwarten mussen, dass der Sender einen objektiven, neutral-ausgewogenen Bericht vorstellt, wie das die ARD-Leitlinien verlangen. Stattdessen haut der Filmbericht in die gleiche Kerbe wie damals, indem er erneut den falschen Eindruck vermittelt, Missbrauch sei im Bereich der kath. Kirche weit verbreitet.

Man wird eher vom Kussen schwanger als vom Zolibat padophil

Dagegen stellen in einer Studie aus dem Jahre 2012 renommierte Forscher fest, dass bisher keine empirischen Befunde den Zolibat als ein erhohtes Risiko fur Sexualdelikte belegen konnen. Prof. Korber kommt zu dem Ergebnis, man werde eher vom Kussen schwanger als vom Zolibat padophil.

Der Film will uns Gegenteiliges weismachen: Demnach ware der Zolibat gerade die hauptsachliche Ursachen-Bedingung fur missbrauchliches Handeln. Der Filmbericht suggeriert die empirisch widerlegte Folgerung, dass zolibatare Priester starker als sexuell aktive Manner vergleichbarer Gruppen in Missbrauchshandeln verwickelt waren.

Journalistische Fokussierung auf den Zolibat seit dem Pfaffenspiegel vor 150 Jahren

Missbrauche in der Kirche mit dem Zolibat zusammenzubringen scheint fur Journalisten eine reflexhafte – und daher gedankenlose – Reaktion zu sein. Jedenfalls legt das der Schwarm-Journalismus im Fruhjahr 2010 nahe, als die Medien unisono Missbrauch und Zolibat zusammenbrachten. Spatestens aber nach den empirischen Studien von Prof. Pfeiffer und Prof. Korber hatten seriose Journalisten diesen Konnex infragestellen mussen. Insbesondere die Feststellung des letzteren, dass die Missbrauchsquote bei zolibataren Priestern signifikant niedriger ist als bei vergleichbaren Mannergruppen, hatte vorurteilsfreie Journalisten zum Umdenken veranlassen mussen. Denn dieser Befund macht die ganz andere Folgerung plausibel, dass das Zolibats- oder Keuschheitsversprechen kath. Priester starker vor Missbrauchshandlungen bewahrt als sexuell aktive Manner. Aber wenn man die wissenschaftlichen Ergebnisse von Prof. Korber ausblendet, wie das der NDR-Bericht tut, dann kann man naturlich auch nicht auf den schlussigen Zusammenhang von Zolibat und verminderten Missbrauchszahlen kommen. Dafur sprechen ebenfalls die Tatsachen, dass verheiratete Manner – auch evangelische Pfarrer – massenhaft in Missbrauche verwickelt sind, jahrlich in der Gro?enordnung von zigtausend Mal.

Inhaftungnehmen der Institution Kirche

Schlie?lich ist eine weitere Konnexion der Medien – und auch des NDR-Berichts – zu kritisieren, namlich bei der Verantwortung fur sexuelle Missbrauchshandlungen die ganze Institution in Haftung zu nehmen, wie es in der medialen Berichterstattung haufig der Fall ist (Prof. Korber). Auch darin besteht eine Einseitigkeit der Medien (einschlie?lich des NDR) gegenuber der Kirche, wahrend sie bei Missbrauchsfallen in anderen Bereichen kaum oder gar nicht die Institutionen dafur verantwortlich machen: So wurde aufgrund der Missbrauche in der Odenwaldschule nicht die Reformpadagogik infragegestellt, obwohl schon die reformpadagogischen Grundervater Wyneken und Geheep Missbrauch praktiziert hatten. Auch bei den relativ haufig vorkommenden Missbrauchshandlungen bei Lehr- und Trainerpersonen stellen Journalisten nicht deren Profession und Lehrbedingungen in Frage. Bei der Missbrauchspropaganda und -praxis der Grunen hat man nicht den basisdemokratischen Ansatz dafur verantwortlich gemacht. Schlie?lich wird bei dem massenhaften Missbrauch von Familienvatern nicht die Institution Familie auf den Prufstand gestellt.

Odenwaldschule: linkes Vorzeigeprojekt eine Missbrauchsholle

Statt Spekulationen uber den Zolibat anzustellen oder die Kirche als ganze anzuprangern ist es allerdings notwendig, institutionelle Bedingungen und personale Verflechtungen aufzuspuren, die Missbrauch begunstigen konnen oder die Aufdeckung behindern. Diesen Fragen will das Forschungskonsortium der DBK in seiner Studie nachgehen, auch im Vergleich mit anderen Institutionen. In dem NDR-Filmbericht findet man diese not-wendige Fragestellung dagegen nicht.

Selbstverstandlich kann ein Medium als Hypothese die subjektive Meinung vertreten, der Zolibat wurde Missbrauche befordern. Bei einem seriosen Presseorgan ist es aber geboten, fur diese These stichhaltige Beweise beizubringen, wie das auch Bischof Ackermann von den Filmautoren fordert. Insbesondere eine offentlich finanzierte und normierte Anstalt wie der NDR steht unter der Verpflichtung, nicht einseitig an einen Sachverhalt heranzugehen, sondern nach Horen der anderen Seite eine ausgewogene, objektive und unabhangige Darstellung zu bieten.

Keine Einbeziehung von gesicherten Forschungsergebnissen

Diesem gebotenen Anspruch genugt der Filmbericht nicht. Er setzt sich weder mit den oben genannten gesicherten Forschungsergebnisse auseinander, noch zieht er fur seine eigene These wissenschaftliche Studien heran, sondern stutzt sich ausschlie?lich auf die Behauptungen eines einzigen Sexualpsychologen. Dem wird in mehreren Einspielungen breiter Raum eingeraumt fur seine Thesen vor allem gegen den Zolibat und allgemein die kirchliche Morallehre, wahrend die oben genannten Wissenschaftler sowie weitere Forscher und Studien, die gezielt zu diesem Thema Studien erstellt haben, nicht einmal erwahnt werden, auch nicht in allgemeiner Form wie: Andere Forschen sehen das anders. Ubrigens sehen das auch ganz unverdachtige Personen des offentlichen Lebens anders – wie etwa die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer: Ich glaube ganz ehrlich gesagt nicht an den Zusammenhang von Zolibat und Missbrauch, uberhaupt nicht. Aber so eine Gegenposition passt den Filmautoren offenbar nicht ins Konzept. In ihrer Hermeneutik der Verdachtigung blenden sie alle Kontra-Positionen aus.

Empirische Studie: Kein Kausalzusammenhang zwischen Zolibat und Padophilie

b) Zum Zeitpunkt der Filmrecherche lag eine reprasentative Untersuchung zu Taterprofilen und Missbrauchsstrategien im kirchlichen Bereich vor, mit der namhafte Professoren 2012 den wissenschaftlichen Standard in der Forschung zu dem Thema: Sexuelle Ubergriffe durch katholische Geistliche in Deutschland gesetzt haben. Dabei handelt es sich um die Zusammenschau von forensischen Gutachten aus den Jahren 2000 bis 2010, die von drei universitaren Instituten erstellt worden waren. Nach der Untersuchung von 664 Delikten kommen die Wissenschaftler bezuglich Tatern und kirchlichem Umfeld zu folgendem Ergebnis:

Bisher liegen keine empirischen Befunde vor, die belegen konnten, dass ein gewollter oder ungewollter Verzicht auf Sexualitat und/oder Partnerschaft das Risiko fur Sexualdelikte erhoht. Viele Menschen, ob sie nun in Paarbeziehungen leben oder alleinstehend sind, haben keinerlei, wenige oder unbefriedigende Sexualkontakte, ohne dabei sexuell grenzverletzende Verhaltensweisen zu zeigen oder eine Storung der Sexualpraferenz zu entwickeln. Die grundlegende Sexualstruktur wird im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter festgelegt, also in der Regel Jahre vor dem Gelubde des Zolibats, sodass ein direkter Kausalzusammenhang zwischen dem Zolibat und einer padophilen Storung der Sexualpraferenz wenig plausibel erscheint.

Auch die Hypothese, dass Manner mit einer padophilen Praferenzstorung eher dazu neigen, den Priesterberuf zu ergreifen, lasst sich weder auf Basis internationaler Befunde (z. B. Terry et al., 2011; Deetman et al., 2011) noch anhand der hier vorliegenden Ergebnisse bestatigen. Sexuelle Missbrauchshandlungen an Minderjahrigen werden auch innerhalb der katholischen Kirche aus Beweggrunden begangen, die sich uberwiegend dem normalpsychologischen Bereich zuordnen lassen (Korber, 2009) und nicht einer krankhafte oder gestorten Pschopathologie entspringen. Man mag dem Zolibat kritisch gegenuberstehen, aber eine Koppelung der Debatte um sexuellen Missbrauch durch Geistliche und dem Zolibat entbehrt jeglicher wissenschaftliche Grundlage.

Die Verantwortung fur sexuelle Missbrauchshandlungen ist bei den Tatern zu suchen und kann nicht auf die Institution ‚katholische Kirche’ ubertragen werden, wie es in der derzeitigen medialen Berichterstattung haufig der Fall ist. Sexualdelikte werden von den unterschiedlichsten Berufsgruppen begangen (z. B. auch Polizisten, Richtern, Arzten, Padagogen u.v.a.m), dennoch stellt man nicht das Rechtssystem oder eine ganz Profession in Frage (zitierte Passagen aus der oben genannten Studie S. 9).

Sexualberater als Frontmann der Meinungsmache

Entgegen diesen wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen geht die Redaktion von der freischwebenden These aus: Der Zolibat ziehe Manner mit gestorter Sexualitat an (Praferenztater) und selbst bei seelisch gesunden Priestern konne der Zolibat zu seelischer Unterernahrung fuhren. Dazu wird der Sexualberater Dr. Christoph Ahlers als einziger Kronzeuge herangezogen. Dabei ist zu fragen, wieso Herr Ahlers, nach Eigenauskunft sexualpsychologischer Berater bei partnerschaftlichen und sexuellen Beziehungsstorungen sowie Behandlung von Libidostorungen aller Art, der geeignete Experte sein soll, Geistliche mit Zolibatsgelobnis beurteilen zu konnen. Au?erdem sind von ihm keine Untersuchungen bekannt, in denen er sich als Fachmann fur den Bereich von Missbrauchstatern ausgewiesen hatte. Wenn Herr Ahlers aber nicht wegen besonderer Qualifikation fur das infragestehende Spezialthema ausgesucht wurde, dann ist zu fragen, ob er vielleicht deshalb so breiten Raum in der Sendung bekam, weil er vorgefasste Thesen der Redaktion bestatigen und ihnen den Nimbus von sexualmedizinischer Plausibilitat geben sollte?

Aus den Ausfuhrungen von Ahlers ergibt sich, dass er eine mechanistische Trieb-Uberdrucktheorie vertritt, nach der die sexuelle Triebenergie nicht sublimiert werden kann, sondern ausschlie?lich in sexueller Befriedigung und Beziehungen Entladung sucht. Bei dem zolibataren Triebstau kame es dann ofters zu Missbrauchen an Minderjahrigen in Form von Ersatzhandlungen.

Mechanische Triebuberdrucktheorie aus der Steinzeit der Sexualwissenschaft

Diese Theorie ist hochst umstritten. Insbesondere die Darstellung der Sexualitat in Analogie zu mechanistisch-biologischen Ablaufen wird von der Gestaltpsychologie und anderen Schulen kritisiert. Selbst der Psychologen-Urvater Siegmund Freud wurde einer Anti-Sublimierungsfolgerung widersprechen. Denn gerade die Sublimierung der sexuellen Triebenergie ist nach Freud Grundlage fur alle Kulturentwicklung. Auch alle empirisch-wissenschaftlichen Studien sprechen dagegen, dass diese Theorie ein zutreffender Erklarungsansatz fur Missbrauchstater im Bereich der Kirche ware.

Nur Behauptungen, keine Streitkultur

In einer zweiten Einspielung widerspricht Ahlers seinen vorherigen Ausfuhrungen, wenn er behauptet, Missbrauche von Priestern seien nicht vorwiegend dem Typus der Ersatzhandlungen zuzuordnen. Im Gegenteil. Wir mussen davon ausgehen, dass problematische Sexualpraferenzen vorliegen, also Praferenztater am Werk seien. Mit diesem Begriff meint Ahlers insbesondere padophil veranlagte Menschen, wie aus seinen Ausfuhrungen in einer dritten Einspielung zu entnehmen ist.

Er spricht auch nur von klinischen Eindrucken. Daraus konnen aber hochstens Hypothesen gestellt werden, aber nicht solche apodiktische Behauptungen, wie Ahlers sie vertritt. Empirische Studien dagegen – etwa die des Essener Gerichtspsychiater Norbert Leygraf – kommen zu gegenteiligem Ergebnis: Bei der Auswertung von 78 Gutachten uber auffallig gewordene Priester stellte er fest, dass bei ihnen nur eine Minderheit von zehn bis funfzehn Prozent padophile Praferenztater waren.

Ephebophilie – vorwiegend von homosexuell ausgerichteten Tatern ausgehend

Ahlers These von den vorwiegend (padophilen) Praferenztatern im kirchlichen Bereich steht auch im Widerspruch zu den aufgefuhrten Filmbeispielen von Missbrauchen. Bei den etwa ein Dutzend dargestellten Verfuhrungen Minderjahriger ist kein einziges Beispiel von Padophilie dabei. Es werden – bis auf eine Ausnahme von einem neunjahrigen Madchen – ausschlie?lich Missbrauche an geschlechtsreifen Jungen dargestellt. Dieser Befund von ‚Ephebophilie’ ist nach Taterprofil, Diagnose und Therapieansatz fachlich und sachlich von ‚Padophilie’ zu unterscheiden. Bei den vergleichbaren Missbrauchen von acht Lehrern an der Odenwaldschule handelte es sich ebenfalls um Ephebophilie. Diese Delikte gehen vorwiegend von homosexuell ausgerichteten Tatern aus, wie bei den Lehrer-Tatern an der Odenwaldschule nachweisbar.

Die Filmautoren wollten anscheinend keine sachliche Erorterung ihrer Thesen durch andere Wissenschaftler, Gegenargumente und sachlich-fachliche Differenzierungen. Sie machen sich die Anschauungen Ahlers vollstandig zu eigen und formulieren als weitere These: Sexualpsychologen weisen darauf hin, dass der Zolibat Manner mit gestorter Sexualitat anziehe. Abenteuerlich ist die Begrundung dieser tendenziosen These durch Christoph Ahlers: Organisationen mit Sexualitatsverbot (kirchliches Zolibat fur Priester) uben eine Anziehungskraft auf Personen aus, die mit problematischer Sexualpraferenz zu Tatern werden konnen. Allein schon aus logischen Grunden ist Ahlers These wenig plausibel, namlich dass ein Sexualitatsverbot Sexualtater besonders anziehe. Daruber hinaus ist die These – wie vorher gezeigt – auch empirisch falsifiziert worden. Die Filmautoren setzten sich uber solche Bedenken und Gegenpositionen einfach hinweg mit der pauschalen Behauptung: Andere Forscher bestatigen das. Bei einer ausgewogenen, neutralen und objektiven Berichterstattung hatte die Endaussage lauten mussen: Von anderen Forschern wird diese These bestritten.

Vorurteile gegenuber der kirchlichen Moraltheologie

Es zeugt nicht von journalistischer Sorgfalt und Verantwortung, wenn die Filmmacher die fur den Bereich Kindesmissbrauch anerkannten Forscher wie die Forensiker-Professoren Korber, Pfeiffer, Leygraf, Pfafflin und Konig und deren einschlagige Studien nicht zu Rate ziehen, statt dessen sich allein auf einen einzigen Sexualberater beziehen. In den drei langeren Einspielungen steigert sich Ahlers in eine stark emotionalisierte Sprache, die die gebotene wissenschaftliche Nuchternheit vermissen lasst. Zum Schluss zeigt der Sexualpsychologe, dass er offensichtlich in Vorurteilen gegenuber der Kirche befangen ist, wenn er das vollig uberzogene Urteil fallt: Die kirchliche Moraltheologie und Sexualmoral ist seit Jahrtausenden (!) falsch, ungesund, schadlich und riskant. Allein schon wegen dieses extremen Negativ-Urteils uber die kirchliche Sexualmoral im Allgemeinen hatte es sich fur die offentlich-rechtliche Sendeanstalt verbieten mussen, den Mann zu dem Thema Zolibat und Missbrauch als alleinigen ‚Experten’ auftreten zu lassen.

Vereinnahmung von Pater Mertes

Auch bei der weiteren Behandlung des Zolibats-Themas im innerkirchlichen Bereich zeigt die Redaktion Einseitigkeit, Tendenzaussagen und mangelnde Sorgfalt in der Darstellung.

Im Film wird der Jesuitenpater Klaus Mertes mit dem Satz zitiert: Dem wurde ich hundertprozentig zustimmen. Dieser Satz ist aber so an die Ahlers-Rede herangeschnitten worden, dass die Zuschauer den Eindruck bekommen, als ob er mit dessen Theorie ubereinstimme. Doch Mertes stellte nachtraglich klar: Dieser Satz von mir bezog sich aber nicht auf die Au?erung des Experten, sondern erschlie?t sich aus dem Zusammenhang der Interviews mit mir. Meine Kernaussage war und ist: Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Zolibat und Missbrauch. … (siehe Kirche – Missbrauch – Medien). Gegenuber dieser klaren Aussage im O-Ton Mertes behauptet die Sprecherin im Film Gegenteiliges: Mittlerweile sage Mertes, halte er den Pflichtzolibat aus Praventionsgrunden fur ein Risiko. Nach der filmtechnischen Fehl-Vereinnahmung von Mertes fur die Ahlers-Thesen liegt auch in diesem Fall die Vermutung nahe, dass die Filmautoren die Aussage von Mertes manipuliert, jedenfalls fehlerhaft wiedergegeben haben, damit sie mit der vorgefassten Redaktionsthese ubereinstimmen sollte. Denn wenn es nach Mertes ausdrucklicher Uberzeugung keinen direkten Zusammenhang zwischen Zolibat und Missbrauch gibt, dann stellt der Zolibat logischerweise auch kein Risiko dar.

Der NDR lasst sich parteiisch vor den Karren der ‚Progressiven’ spannen

Die Einseitigkeit und Parteilichkeit der Filmautoren wird auch durch folgenden Kommentar bestatigt: Bei unseren Recherchen bekommen wir den Eindruck: Die progressiven Stimmen in der katholischen Kirche sind zwar nur vereinzelt zu horen, aber es werden mehr. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass mit den Progressiven die Krafte in der Kirche gemeint sind, die fur eine Infragestellung oder Abschaffung des Zolibats eintreten. Mit der wertenden Wortwahl progressiv verraten die Filmautoren, dass sie sich auf die Seite der ‚fortschrittlichen’ Zolibatsgegner schlagen. Es gehort aber nicht zu den Aufgaben eines offentlich-rechtlichen Senders, bei Streitfragen in der katholischen Kirche zwischen ‚Progressiven’ und ‚Konservativen’ sich parteiisch auf eine Seite zu schlagen und sich damit vor deren Karren spannen zu lassen.

Verleumdung der kirchlichen Orden

Der Film beschaftigt sich im Schlussteil mit Missbrauch in kirchlichen Ordenseinrichtungen und deren Aufarbeitung. Zunachst behauptet man, dass nur in einigen wenigen der Hunderte von katholischen Orden die Vergangenheit aufgearbeitet wurde. Doch dann wird selbst diese ‚nur in einigen’ wieder zuruckgenommen mit den Worten: Die Aufarbeitung der Missbrauche in kirchlichen Einrichtungen geschieht nur im Machtbereich der Bischofe. Was hingegen in den Orden passiert mit ihren Schulen, Heimen und Internaten, wird nicht einmal untersucht. Was da an Missbrauch passierte, bleibt im Dunkeln. Dabei gibt es bundesweit Hunderte von Orden. Von deren Aufarbeitung hort man nichts. Nach unseren Recherchen gibt es allein 60 Tatorte von Missbrauchsanzeichen im Bereich der Orden. Die Dunkelziffer durfte weitaus hoher liegen.

Die Film-Behauptung der Untatigkeit von Orden bezuglich der Aufklarung und Aufarbeitung von Missbrauchen ist eindeutig falsch und damit verleumderisch:

Eine unvoreingenommene Recherche wurde neben dem Jesuitenorden leicht zahlreiche, sogar hunderte Bestatigungen dafur finden, dass alle betroffenen Orden sich um die Missbrauchs-Aufarbeitung kummern. Genannt seien einige exemplarische Beispiele der gro?eren Orden, die sich schon bei einer viertelstundigen Internetsuche ergeben:

Klosterschule Ettal – vorbildlich fur Kirche und Welt

Die Benediktiner-Klosterschule Ettal war im Fruhjahr 2010 ebenfalls wie das Canisius-Kolleg der Jesuiten im Fokus der medialen Missbrauchs-Berichterstattung. Die Holle von Ettal titelte damals die Welt. Heute loben Missbrauchsopfer vor allem den nach personlichen Gesprachen erfolgten Gesinnungswandel der Klosterleitung. Insbesondere das unburokratische Vorgehen sei vorbildlich fur die gesamte Kirche (Christian Wolfel: Vom Verdrangen und Anerkennen, katholisch.de, 1. Marz 2012). Ahnliches darf man fur die weiteren 25 Benediktiner-Niederlassungen annehmen. Sie alle haben unabhangige Missbrauchsbeauftragte ernannt, so wie es in den Diozesen geschehen ist.

Die Salesianer Don Boscos, hei?t es im funften Bericht der ordenseigenen Aufklarungs-Arbeitsgruppe vom 2. 2. 2011, sehen sich in besonderer Weise der Aufklarung und Aufarbeitung der schwerwiegenden Vorwurfe und Vorfalle verpflichtet, die in einem deutlichen Widerspruch zu den Idealen der Ordensgemeinschaft und zu den Aufgaben, Zielen und Werten der salesianischen Padagogik stehen. Die Salesianer haben nach dem gleichen Muster wie die deutschen Bischofe die Missbrauchsaufarbeitung sowie Pravention organisiert.

In gleicher Weise haben die Orden der Franziskaner, Kapuziner und Redemptoristen Arbeitsgruppen und Leitlinien fur die Aufklarung von Missbrauchsfallen eingerichtet.

Fur das von Dernbacher Schwestern betreute St. Vincenzstift Aulhausen am Rhein wurde 2013 eine wissenschaftliche Aufklarungsstudie vorgestellt.

Die pauschale Unterstellung der Filmautoren: Was aber in den Orden passiert mit ihren Schulen, Heimen und Internaten, wird nicht untersucht. Was da an Missbrauch geschieht, bleibt im Dunkeln – ist offensichtlich eine Falsch-Behauptung.

Die ca. 160 Manner- und Frauen-Orden haben sich in Deutschland zu der Deutschen Ordensoberen-Konferenz (DOK) zusammengeschlossen. Zu der Missbrauchsaufklarung und –pravention hei?t es auf der Seite der Deutschen Ordensoberen Konferenz:

In enger Abstimmung mit der Deutschen Bischofskonferenz hat die Deutsche Ordensoberen-Konferenz (DOK) die Leitlinien uberarbeitet und im Herbst 2010 den Oberen der Ordensgemeinschaften in Deutschland zur Inkraftsetzung empfohlen. Ordensgemeinschaften in Deutschland haben sich der notwendigen Aufarbeitung gestellt und vor allem Ma?nahmen zur Pravention verstarkt. Die DOK war am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ beteiligt und ist bezuglich der Umsetzung seiner Ergebnisse mit den beteiligten Bundesministerien im Gesprach.

Auf der DOK-Seite sind fur alle Orden in Deutschland und daruber hinaus fur einzelne Ordensschulen und –Internate sowie fur ordenseigene Heime unabhangige Missbrauchsbeauftragte benannt, an die sich die Missbrauchsopfer der einzeln Orden melden konnen. Da sind insgesamt 350 Namen aufgefuhrt.

Einseitige Verdachtigungsrecherche

Die Filmautoren machen die verraterische Aussage, dass nach ihren Recherchen im Bereich der Orden Missbrauchsanzeigen fur 60 Tatorte vorlagen. Doch von deren Aufarbeitung hore man bislang kaum etwas.

Man kann aus dieser Bemerkung entnehmen, dass die Redakteure nach Missbrauchs-Tatorten in den Orden recherchiert haben, nicht aber danach, was die betreffenden Orden an Aufarbeitung und Aufklarung nach 2010 getan haben. Die Aussage: Von deren Aufarbeitung hort man kaum was – ist entlarvend fur die Filmredakteure, insofern sie einerseits die einseitige Verdachtigungsrecherche der NDR-Journalisten belegt, andererseits deren Unwillen ausdruckt, in gleicher Intensitat nach den offentlich bekannten Aufarbeitungsma?nahmen der Orden journalistisch zu forschen. Diese Feststellungen belegen einmal mehr die These, dass die Film-Journalisten offensichtlich mit Vorurteilen und nicht unparteiisch an ihre Recherchen herangegangen sind und daher auch keine ausgewogene und objektive Dokumentation vorlegen. Die gebotene Unabhangigkeit und Sorgfalt beim journalistischen Vorgehen ist auch in diesem Punkt nicht gegeben.

Stets die gleiche Formel: Programmbeschwerde abgewiesen!

Mit Schreiben vom 23. Mai 2016 wies der Rundfunkrat die vorliegende Programmbeschwerde zuruck: Der Rundfunkrat konnte keinen Versto? gegen die fur den NDR geltenden Rechtsvorschriften erkennen.

Damit bestatigt sich einmal mehr, dass man sich bei dem derzeitigen Konstrukt des ARD-Beschwerdeverfahrens jede noch so gut begrundete Programm-Beschwerde sparen kann. Die ARD-Sender konnten sich allerdings auch die Beschwerde- und Kontroll-Ausschusse selbst sparen. Denn die Ergebnisse stehen praktisch in allen Beschwerdefallen schon vor der angeblich intensiven Diskussion und sorgfaltiger Prufung des Sachverhaltes fest: Ihre Programmbeschwerde wird abgewiesen. (Ende der Serie)

Text: Hubert Hecker

Bild: Polizei-dein-Partner/Youtube (Screenhots/Montage)/NDR (Screenshots)/Wikicommons

 

 

 

 

 




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