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Gewalt und Missbrauch bei den Domspatzen: Bistum finanziert unabhängige Anlaufstelle

By Von Stefan Aigner
Regersburg Digital
October 11, 2016

http://www.regensburg-digital.de/gewalt-und-missbrauch-bei-den-domspatzen-bistum-finanziert-unabhaengige-anlaufstelle/11102016/

Stellt gemeinsam mit Betroffenen ein Gesamtkonzept zur Aufarbeitung vor: Bischof Rudolf Voderholzer.

Speerspitze des Totschweigens: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

[Initial results of the Regensburg cathedral school investigation will be made public on Wednesday.]

Am morgigen Mittwoch stellen Betroffene und Bischof Rudolf Voderholzer erste Ergebnisse aus dem gemeinsamen Aufarbeitungsgremium vor.

Es war ein langer Weg, seit sich Betroffene von Gewalt und Missbrauch bei den Regensburger im Jahr 2010 zum ersten Mal vernehmlich an die Öffentlichkeit wandten. Ein Weg der – vornehmlich unter der Verantwortung des damaligen Bischofs Gerhard Ludwig Müller – teilweise einem Spießrutenlauf gleichkam, der von Verzögerungen, Schweigen und Aussitzen gekennzeichnet war und in dessen Zuge sich Betroffene als Lügner, Nestbeschmutzer und Weicheier beschimpfen lassen mussten.

Erst im Januar 2015, als die Wortmeldungen der Betroffenen in der weithin beachteten Dokumentation „Sünden an den Sängerknaben“ kumulierten, begann die Mauer des Schweigens zu bröckeln.

Unter Ägide von Bischof Rudolf Voderholzer wurde der Rechtsanwalt Ulrich Weber mit Aufklärung beauftragt, der im Februar ein Gremium einrichtete, in dem erstmals Vertreter des Bistums zusammen mit Betroffenen an einem Tisch sitzen, um über eine angemessene Aufarbeitung zu verhandeln.

Neue Anlaufstelle in München

Am morgigen Mittwoch sollen der Öffentlichkeit nun erste Ergebnisse dieser Gespräche vorgestellt werden. Bereits im Vorfeld wurden Betroffene aber schon darüber informiert, dass sie sich ab sofort nicht mehr an das Bistum selbst wenden müssen, sondern – seit dem 4. Oktober – an eine unabhängige Stelle, die beim „Münchner Informationszentrum für Männer“ (MIM) eingerichtet wurde.

Das MIM ist laut eigener Darstellung 1988 aus einer Selbsthilfegruppe hervorgegangen. Der gemeinnützige Verein will, so heißt es in seinem Leitbild „zu einem neuen Selbstverständnis und Rollenbewußtsein von Männern“ beitragen und hat in diesem Zusammenhang unter anderem sogenannte „Sexualtäterprogramme“ gegen sexuelle Kindesmisshandlung initiiert. 

Wie es in einem Schreiben heißt, das bereits vor einigen Wochen von Rechtsanwalt Weber an Betroffene verschickt wurde, hat das MIM nun eine eigene Abteilung eingerichtet, deren Mitarbeiter für die Anliegen ehemaliger Domspatzen zuständig sein werden.

In dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es unter anderem:

„Absolute Vertraulichkeit ist garantiert. Jeder Betroffene bestimmt selbst, welche seiner Angaben und Informationen ggf. weitergereicht werden. Das Angebot reicht von einfacher Unterstützung bei der Abfassung eines Antrags auf Anerkennungsleistungen bis hin zu einer Betreuung bzw. Mithilfe bei der Suche nach einem geeigneten Weg, die Erlebnisse so aufzuarbeiten, dass ein möglichst unbelastetes zukünftiges Leben möglich wird.“

Wie es weiter in dem Schreiben heißt, werden sämtliche Leistungen des MIM vom Bistum übernommen und sind für die Betroffenen kostenlos.

„…die Gesamtsituation befrieden“

Über das gemeinsam ausgearbeitete Gesamtkonzept zur Aufarbeitung will das Gremium bei der morgigen Pressekonferenz informieren. Am Tisch sitzen für die ehemaligen Domspatzen Alexander Probst und Peter Schmitt. Als Vertreter des Bistums nehmen Internatsdirektor Rainer Schinko und Rudolf Voderholzer teil. Das im Schreiben an die Betroffenen formulierte Ziel des Gremiums:

„Alle Beteiligten hoffen, dass nach jahrelangen Diskussionen in der Missbrauchsdebatte der Domspatzen Lösungen gefunden wurden, die zum einen den Betroffenen helfen und zum anderen dazu beitragen, die Gesamtsituation zu befrieden. Letztlich war und ist es das Ziel, das dunkle Kapitel transparent und unabhängig aufzuarbeiten.“

Hat es sich endgültig ausgemüllert?

Ein Signal ist in jedem Fall die persönliche Teilnahme des Bischofs an einer solchen Pressekonferenz. So etwas wäre unter Voderholzers Vorgänger Gerhard Ludwig Müller noch völlig undenkbar gewesen.

Der jetzige Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, der in seiner Regensburger Zeit zu den maßgeblichen Leugnern der Missbrauchsfälle zählte und nicht müde wurde, dies im Rahmen von Predigten oder Pressemitteilungen zu bekräftigen, hatte es stets vorgezogen, entweder seinen Pressesprecher oder den Generalvikar vorzuschicken, wenn es galt, Rede und Antwort zu stehen. Ungeachtet dessen steht Müller sowohl bei Verantwortlichen des Bistums als auch der Stadt Regensburg außerhalb jeder Kritik.




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