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„ein Gesprachspartner, Dem Sie Vertrauen Konnen.“

By Stefan Aigner
Regensburg Digital
October 13, 2016

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Nach acht Monaten haben sich Bistum und Betroffene von Gewalt und Missbrauch bei den Domspatzen auf einen Weg der Aufarbeitung geeinigt. „Eine Befriedung ist zum Greifen nah“, sagt Ex-Domspatz Alexander Probst. Der Bischof ruft auch Betroffene aus anderen Einrichtungen auf, sich zu melden.

„Kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander“: Internatsdirektor Rainer Schinko, Bischof Voderholzer, Peter Schmitt und Alexander Probst. Foto: rw

So viel Medienrummel war selten. Es ist mehr als sechs Jahre her, seit sich das letzte Mal Fernsehsender von ARD und ZDF bis hin zu RTL bei einer Pressekonferenz des Bistums Regensburg eingefunden haben.

Damals, im Marz 2010, trat der Pressesprecher im Auftrag von Bischof Gerhard Ludwig Muller an die Offentlichkeit, um zum ersten Mal uber Falle von sexuellem Missbrauch im Bistum Regensburg zu reden: Von Einzelfallen, die lange zuruck lagen, von Gerechtigkeit, die den Betroffenen widerfahren solle und davon, dass man das Leid der Betroffenen mindern wolle. Worte, denen lange keine Taten folgten und gerade Bischof Muller war es, der das Versprechen von Gerechtigkeit und dem Lindern von Leid regelrecht konterkarierte. Muller selbst trat in diesem Zusammenhang nie vor die Presse, sondern nutzte Kanzel und Predigt als Werkzeuge, um die Taten kleinzureden, Betroffene und Medien zu beschimpfen, paranoides Gefasel von Kampagnen, ahnlich jener der Nazis, in die Welt zu setzen und das Leid von Opfern nicht nur nicht zu lindern, sondern im Gegenteil: zu verschlimmern und zu vertiefen.

Betroffene loben den Bischof

Wie viel anders ist das Bild bei der Pressekonferenz am Mittwoch, wo Bischof Rudolf Voderholzer zusammen mit den Betroffenen-Vertretern Alexander Probst und Peter Schmitt vor die Medien tritt. Wo fruhere Protagonisten, deren Handeln alles andere als ruhmreich war, wie Generalvikar Michael Fuchs oder Pressesprecher Clemens Neck in den Hintergrund verschwunden sind.

Wo Voderholzer unumwunden einraumt, dass sich bislang uber 400 Opfer von Gewalt und sexuellen Missbrauch in den Einrichtungen der Regensburger Domspatzen gemeldet hatten, wo zum ersten Mal ein detailliertes Ma?nahmenpaket zur Aufarbeitung und Entschadigung vorgestellt wird und wo Probst – der in den zuruckliegenden Jahren mehrfach schmerzhafte Erfahrungen mit dem mangelnden Willen des Bistums zu Aufklarung und Aufarbeitung machen musste – schlie?lich in Richtung anderer Betroffener uber Bischof Voderholzer sagt: „Mit ihm finden Sie einen Gesprachspartner, dem Sie vertrauen konnen.“

„Forderungen vollstandig erfullt“

Als man sich vor acht Monaten zum ersten Mal mit dem Bischof traf, um uber eine angemessene Aufarbeitung zu diskutieren, habe man einen Forderungskatalog gehabt, der „bewusst sehr hoch angesetzt war“, so Probst. Heute musse er konstatieren, dass dieser Katalog vollstandig erfullt worden sei. Und Peter Schmitt erganzt: „was wir hier vorstellen, ist nicht nur tragfahig, sondern wird vielen Menschen helfen.“

Konkret hat man sich fur das weitere Vorgehen auf vier Saulen geeinigt:

Wie bereits berichtet wurde beim Munchner Informationszentrum fur Manner (MIM) eine neue, unabhangige Anlaufstelle geschaffen. Dort konnen sich all jene melden, die sich bislang weder an den Missbrauchsbeauftragten des Bistums noch an den mit der Aufklarung betrauten Rechtsanwalt Ulrich Weber wenden wollten, etwa, weil es ihnen an Vertrauen fehlte. Neben Gesprachs- und Therapieangeboten soll es dort auch Hilfe beim Stellen von Antragen auf Anerkennungsleistungen geben. Die Finanzierung ist vorerst fur zwei Jahre vereinbart und belauft sich nach Angaben Voderholzers auf einen mittleren sechsstelligen Betrag.

Ein sogenanntes Anerkennungsgremium soll die Antrage auf Anerkennungsleistungen fur Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch bearbeiten. Dabei wird es vier Kategorien – zwischen 5.000 und 20.000 Euro – geben, deren Auszahlung an keinerlei Bedingungen geknupft ist und die auch nicht weitere Klagen auf Schmerzensgeld ausschlie?en soll. Besetzt ist das Gremium mit Rechtsanwalt Ulrich Weber, der Padagogin Professor Barbara Seidenstucker (OTH Regensburg) und dem Sozialpadagogen Professor Knud Hein (FH Darmstadt). Samtliche Entscheidungen sollen einstimmig getroffen werden.

Bei der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden wird eine sozialwissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, um – ahnlich wie bei der Untersuchung im Kloster Ettal – Gesetzma?igkeiten zu ergrunden, die Gewalt und sexuellen Missbrauch an Einrichtungen der Domspatzen moglich gemacht haben.

Unter Federfuhrung des Historikers Professor Bernhard Loffler (Uni Regensburg) soll zudem eine historische Studie erarbeitet werden, bei der ein genauerer Blick auf die handelnden Personen und Verantwortlichen bei den Regensburger Domspatzen geworfen wird. Man wolle hier „moglichst viel Licht ins Dunkel bringen“, so der Bischof. Fur beiden Studien ist ein Zeitraum von zwei Jahren veranschlagt. „Wir wollen die Betroffenen damit auch von der Last befreien, sich fur das, was geschehen ist, auch noch rechtfertigen zu mussen“, so Internatsdirektor Rainer Schinko, der am Mittwoch mit auf dem Podium sitzt.

Auch Knabenseminare im Blick

Auch um Betroffene anderer Einrichtungen – etwa der Knabenseminare – wolle man sich kummern, so Voderholzer. Im Moment wisse man da noch zu wenig, werde aber alle Falle sichten und rufe die Betroffenen auf, sich zu melden. „Wir werden auch in dieser Richtung etwas tun, was ihnen so gut tut, wie es nur geht.“

Keine Fragen beantworten die Teilnehmer der Pressekonferenz zur Rolle des fruheren Domkapellmeisters Georg Ratzingers und zu Voderholzers Vorganger Gerhard Ludwig Muller. Was Ratzingers Verantwortung anbelangt, werde die historische Studie hoffentlich antworten geben, so Voderholzer. Auf die Frage, was sein Vorganger denn falsch gemacht habe, bleibt Voderholzer diplomatisch: „Wir befinden uns alle in einem Lernprozess. Wir lernen jeden Tag dazu.“ Allein diesen Satz hatte ein Gerhard Ludwig Muller wohl niemals zustande gebracht.

 

 

 

 

 




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