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Chronologie Eines Unglaublichen Skandals

Mittelbayerische
October 14, 2016

http://www.mittelbayerische.de/bayern-nachrichten/chronologie-eines-unglaublichen-skandals-21705-art1440278.html

Die Schulerzahlen bei den Regensburger Domspatzen steigen wieder. Nach Bekanntwerden der Missbrauchsfalle in dem weltbekannten Knabenchor hatte es einen deutlichen Ruckgang gegeben. Foto: dpa

30.08.2007: Pfarrer von Riekofen verhaftet

Der Pfarrer von Riekofen gesteht 22 sexuelle Ubergriffe auf einen Ministranten und wird 2008 dafur verurteilt. Das Bistum muss sich den Vorwurf der Mitschuld gefallen lassen. Bereits 1999 hatte sich der damalige Kaplan in Viechtach an Jungen vergangen. Als vorbestrafter Sexualstraftater hatte er nicht mehr mit Kindern arbeiten durfen.

28.01.2010: Erste Vorwurfe am Canisius-Kolleg Berlin

Der Rektor des Canisius-Kolleg in Berlin schreibt wegen mehrerer ihm bekannt gewordener Missbrauchsfalle an Kindern einen Brief an die Absolventen der betroffenen Jahrgange, um „beizutragen, dass das Schweigen gebrochen wird“. Er tritt damit eine Welle los. Wenig spater werden Missbrauchsfalle im Kloster Ettal bekannt.

04.03.2010: Skandal erreicht Domspatzen

Der Skandal um sexuellen Missbrauch in Einrichtungen der katholischen Kirche erreicht Regensburg. Das Bistum Regensburg bestatigte nach mehreren Nachfragen der Mittelbayerischen Zeitung, dass es auch im weltberuhmten Knabenchor zu Ubergriffen durch Geistliche kam. Pressesprecher Clemens Neck nennt „vier, funf Sachen“.

09.03.2010: Bischof attackiert Justizministerin

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Muller bezichtigt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der Luge. Die Justizministerin hatte im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der Kirche von einer „Schweigemauer“ gesprochen, die die Aufklarung erschwere. Muller nennt die Aussage „ehrenruhrig“.

22.03.2010: Bistum kundigt Verhaltenscodex an

Zwei Wochen nach Bekanntwerden der Missbrauchsfalle kundigt das Bistum die Verabschiedung eines Verhaltenskodex fur Kirchenmitarbeiter an, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Das Bistum spricht von sieben Opfern. Bistumssprecher Klemens Neck (Foto) betont: „Ziel ist, Gerechtigkeit fur die Opfer herzustellen.“

16.03.2011: Bistum legt Zwischenbericht vor

Ein Jahr ist seit Bekanntwerden der Missbrauchsfalle vergangen, nun legt das Bistum einen ersten Zwischenbericht vor. Dabei nennt die Missbrauchsbeauftragte Dr. Birgit Bohm keine konkreten Zahlen zu Verdachtsfallen. „Das werde den Opfern nicht gerecht“, so die Aussage. Bei den Tatern bezieht sich Bohm auf jene Falle, die durch Gerichte aufgearbeitet wurden. Es handele sich seit 1945 um zehn Geistliche, darunter zwei Mehrfachtater.

19.04.2012: Bistum verweigert Anerkennung

Aus den Reihen der Missbrauchsopfer melden sich ehemalige Domspatzen, die sich in ihrem Leid nicht anerkannt fuhlen. Das Bistum habe Antrage auf Anerkennungsleistung nicht weitergeleitet, so der Vorwurf. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte entschieden, an jedes Opfer bis zu 5000 Euro auszuzahlen. In einigen Fallen wurde dies abgelehnt. Die Leistung werde nur bei sexuellem Missbrauch ausbezahlt, rechtfertigt sich das Bistum.

02.07.2012: Bischof Muller verlasst das Bistum

Papst Benedikt XVI. gibt bekannt, dass er den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Muller an die Spitze der Glaubenskongregation berufen wird. Damit wird Muller zum obersten Glaubenshuter in der katholischen Kirche. Der fruhere Generalvikar Dr. Wilhelm Gegenfurtner wird zum Administrator im Bistum bestellt, solange der Bischofsstuhl vakant ist. Uber die Aufarbeitung der Missbrauchsfalle dringt kaum noch etwas an die Offentlichkeit.

26.01.2013: Voderholzer erhalt Bischofsweihe

In Regensburg empfangt Dr. Rudolf Voderholzer die Bischofsweihe. Das neue Kirchenoberhaupt im Bistum ist wie sein Vorganger Muller Dogmatiker. Kurz nach seiner Amtseinfuhrung nimmt Voderholzer – hinter verschlossenen Turen – die Aufklarung der Missbrauchsfalle wieder auf. Mit Opfern trifft er sich zu Gesprachen, uber die nichts an die Offentlichkeit dringen soll, wie er in einem Interview mit der MZ sagt.

22.05.2013: Aufklarerin stirbt uberraschend

Die Missbrauchsbeauftragte im Bistum, Dr. Birgit Bohm, stirbt uberraschend. Wenige Tage zuvor hatte sie, bereits gezeichnet von ihrer Krankheit, noch letzte Gesprache mit Missbrauchsopfern gefuhrt und mit Bischof Voderholzer uber das weitere Vorgehen beraten. Die Stelle des Missbrauchsbeauftragten bleibt zunachst vakant. In den Medien wird zunehmend kritisiert, dass das Bistum versucht, den Skandal auszusitzen.

14.11.2013: Linder ubernimmt die Beratungsstelle

Der ehemalige Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Bezirksklinikum Regensburg, Dr. Martin Linder, wird neuer Missbrauchsbeauftragter der Diozese. Er bittet die Presse um Geduld, dass er sich zunachst in die Akten einarbeiten musse, um sich ein Bild vom Ausma? der Vorfalle machen zu konnen. In anderen betroffenen Einrichtungen wie im Kloster Ettal gibt es zu diesem Zeitpunkt schon lange eine gemeinsame Linie mit den Opfern.

30.05.2014: Opferkritik beim Katholikentag

In Regensburg findet der 99. Katholikentag statt. Auch das Thema Missbrauch in der katholischen Kirche steht auf der Agenda. Bei einer Podiumsdiskussion wirft der Sprecher der Opferinitative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, der katholischen Kirche Vertuschung und Verleugnung vor und kritisiert Defizite bei der Aufarbeitung. Die Bischofe haben zuvor einen neuen Versuch unternommen, die Vorfalle wissenschaftlich aufzuarbeiten.

10.11.2014: 30 Opfer erhielten Geldzuwendungen

Ein Jahr nach der Berufung legt der Missbrauchsbeauftragte Linder einen ersten Bericht vor. Von 1945 an wurden 13 Geistliche wegen sexueller Straftaten an 77 Minderjahrigen in der Diozese verurteilt, davon einer wegen sexueller Straftaten an 25 Minderjahrigen in zwei Pfarreien Anfang der 50er Jahre. Konkrete Opferzahlen werden in dem Bericht nicht genannt. Linder sagt, dass bislang 158 500 Euro fur 30 Antrage von Opfern ausgezahlt wurden.

07.01.2015: ARD zeigt Film „Die Akte Domspatzen“

Die Filmemacherin Mona Botros bringt mit ihrem Film „Die Akte Domspatzen“ Bewegung in die Aufklarungsarbeit. In ihrem Beitrag, den die ARD ausstrahlt, kommen drei Betroffene zu Wort, die ihren Kampf um Gehor und Gerechtigkeit schildern. Dabei erheben sie schwere Vorwurfe uber die Art, wie im Bistum mit den Opfern umgegangen wird.

25.01.2015: Bischof entschuldigt sich bei Opfern

Bischof Rudolf Voderholzer bittet in seiner Predigt zum Weihejubilaum die Missbrauchsopfer um Verzeihung. Wortlich sagt er: „Zwei der damaligen Verantwortlichen in Etterzhausen und Pielenhofen haben den Buben durch ihr Terrorsystem, dessen einzige padagogische Ma?nahme offenbar die korperliche Zuchtigung war, die Holle bereitet.“

26.04.2015: Bistum bestellt Anwalt zur Aufarbeitung

Bei einer Pressekonferenz geben Domkapellmeister Roland Buchner (Foto) und Generalvikar Michael Fuchs bekannt, dass auf Empfehlung des Wei?en Rings der Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber beauftragt wird, die Missbrauchs- und Misshandlungsvorwurfe in den Einrichtungen der Domspatzen aufzuarbeiten.

08.01.2016: Weber spricht von bis zu 700 Opfern

Der zur Klarung des Missbrauchsskandals beauftragte Anwalt Ulrich Weber legt eine Zwischenbilanz vor. Von 1953 bis 1992 wurden mindestens 231 Kinder misshandelt oder sexuell missbraucht. Weber geht zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Jeder dritte Domspatz konnte von Ubergriffen betroffen sein. Weber rechnet mit bis zu 700 Opfern.

13.01.2016: Ratzinger nennt Aufklarung „Irrsinn“

Der ehemalige Kapellmeister der Regensburger Domspatzen, Georg Ratzinger, hat die Aufklarung des Missbrauchsskandals als „Irrsinn“ bezeichnet. „Es ist einfach Irrsinn, wie man uber 40 Jahre hinweg uberprufen will, wie viele Ohrfeigen bei uns verteilt worden sind“, so der 91-Jahrige. Das Bistum relativiert die Aussagen spater.

12.10.2016: Aufklarung bei Domspatzen kommt in Gang

Das sogenannte Aufarbeitungsgremium, in dem Vertreter von Kirche, Domspatzen und Opfern sitzen, stellt seinen ersten Zwischenbericht vor. Bischof Voderholzer nannte nun die Zahl von 422 Missbrauchsopfern bei den Domspatzen. Au?erdem wurde eine weitere Anlaufstelle fur Missbrauchsopfer geschaffen – als Alternative fur Betroffene, die sich nicht an die Kirche wenden wollen.

13.10.2016: Muller schweigt zu Aufklarungsarbeit

Kardinal Gerhard Ludwig Muller, ehemaliger Regensburger Bischof und jetziger Leiter der Glaubenskongregation im Vatikan, lehnt es ab, sich zu den neuen Entwicklungen bei der Aufklarung von Misshandlungen und Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen offentlich zu au?ern. Die Angelegenheit betreffe ihn nicht mehr, lasst er mitteilen.

 

 

 

 

 




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