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Kardinal Muller Nennt Vorwurfe Mangelnder Missbrauchs-aufklarung Bei Domspatzen ,postfaktisch"

Wochenblatt
December 16, 2016

http://www.wochenblatt.de/nachrichten/regensburg/regionales/Kardinal-Mueller-nennt-Vorwuerfe-mangelnder-Missbrauchs-Aufklaerung-bei-Domspatzen-postfaktisch-;art1172,411123



Der fruhere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Kardinal Muller hat Vorwurfe zuruckgewiesen, die Aufklarung des Missbrauchsskandals bei den Regensburger Domspatzen verhindert zu haben.

In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse (Druckausgabe vom 16. Dezember) wies Muller die Vorwurfe, die auch von Insidern der Regensburger Domspatzen gegenuber dem Wochenblatt getatigt wurden, zuruck, er habe die Aufklarung des Missbrauchsskandal bei den Domspatzen verhindert oder verzogert. Wortlich sagte Muller der PNP: „Die gezielt verbreiteten postfaktischen Behauptungen, ich hatte die Aufklarung sogar noch drei Jahre uber das Ende meiner Amtszeit am 1. Juli 2012 hinaus verzogert und sogar verhindert, sind schlichtweg falsch, weil sie den Tatsachen widersprechen. Man muss die Zustandigkeiten und die entsprechenden Amtszeiten klar voneinander trennen.“

Muller sagte auf die Frage hin, ob er zu einem Gesprach mit Opfern bereit ware: „Personliche seelsorgerliche Gesprache bleiben ihrer Natur nach vertraulich. Was ich aber beitragen kann zur Aufklarung der Straftaten gegen Kinder und Jugendliche, die sich allerdings schon 40 bis 50 Jahre vor meinem Amtsantritt als Bischof von Regensburg ereignet hatten, werde ich dem von der Diozese beauftragten Rechtsanwalt Ulrich Weber mitteilen.“

Immer wieder wurde Muller vorgeworfen, er habe Falle von Sexuellem Missbrauch verschleppt. Ein Fall ist auch hochstrichterlich entschieden: Der Missbrauchs-Skandal von Riekofen. Im August 2007 hatte das unglaubliche Martyrium endlich ein Ende: 22 Mal hatte sich, in einem Zeitraum zwischen 2004 bis zu seiner Verhaftung 2007, der damals 39-jahrige spatberufene Pfarrer Peter K. an einem zunachst elfjahrigen Ministranten sexuell vergangen. Als der Fall ruchbar und K. in Handschellen abgefuhrt wurde, war das Entsetzen in der Pfarrei riesig: War der Pfarrer ein Padophiler? Er war einer: „Kernpadophilie“ hatte ihm ein Gutachter attestiert – und das bereits vier Jahre, bevor er dennoch wieder in der Seelsorge eingesetzt wurde – und acht Jahre vor seiner Verhaftung.

Wie sich bei einem Strafprozess im Jahr 2008 herausstellte, war das in Mullers bischoflichem Ordinariat langst bekannt: Bereits im Jahr 2000 war der Priester zu einer Bewahrungsstrafe verurteilt worden. Er hatte zwei Bruder, damals neun und zwolf Jahre alt, am Rande eines Faschingsballs im Pfarrheim unsittlich beruhrt. Da war K. noch Kaplan. 2004, Muller war das schon Bischof in Regensburg, wurde er als Pfarradministrator in Riekofen eingesetzt, wo er im Keller des Pfarrhofes regelrecht eine Spielwiese fur seine minderjahrigen Opfer eingerichtete. K.s Dekan wurde telefonisch vom damaligen Generalvikar gewarnt: „Er sagte mir, dass da was mit Kindern ist und ich ein Auge auf ihn werfen soll“, so der Dekan. Und: „Ich sollte Stillschweigen bewahren daruber“, gab der Geistliche bei der Polizei zu Protokoll.

Das Bistum Regensburg versuchte bis zum Prozess gegen den padophilen Priester und weit daruber hinaus, jegliche Verantwortung fur das Geschehene abzustreiten. An seiner Spitze stand damals Gerhard Ludwig Muller als Bischof von Regensburg. Heute ist Muller machtiger Glaubensprafekt in Rom – der einstige Pfarrer von Riekofen ist langst laisiert worden, wegen dem Missbrauch des Ministranten wurde er zu drei Jahren Haft und Unterbrindung in der Psychiatrie verurteilt. Einen Besuch vor Ort, wo die aufgewuhlten Eltern entsetzt waren daruber, was ihr Pfarrer im Keller des Pfarrhauses mit den Ministranten getrieben hatte, verweigerte sich Muller.

Als zahlreiche Medien, unter anderem 2010 uber die Missbrauche im weltberuhmten Knabenchor der Domspatzen berichteten, sprach Muller kein „Mea Culpa“ – im Gegenteil. Der damalige Bischof von Regensburg hatte zwar seinen eigenen Priestern per Erlass das Anrufen weltlicher Gerichte untersagt, er selbst aber erwies sich als klagefreudig. Als mehrere Medien berichteten, Muller habe den Fall des Riekofener Pfarrers vertuscht, bemuhte Muller die Justiz – sogar bis zum Bundesgerichtshof.

Doch der BGH bestatigte ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg: Man konne Muller zuschreiben, „dass mit dem Vorwurf der ‚Vertuschung‘ die erneute Verwendung des Priesters im Gemeindedienst gemeint ist, die erfolgte, ohne dass im neuen Umfeld des Kaplans bekannt gegeben worden ware, dass er sich wegen Missbrauchs strafbar gemacht hatte und von ihm moglicherweise eine Gefahr ausgehen konnte.“

Dabei steht der Fall Riekofen geradezu exemplarisch fur den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche, bevor in Deutschland eine Welle der Emporung die Bischofe zwang, Richtlinien zu erlassen. K. war bereits als Kaplan 1999 in Niederbayern ubergriffig geworden. Eine Amtsrichterin hatte K. zu einem Jahr Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewahrung verurteilt. Auflage damals: Er durfe keinesfalls in der Jugendarbeit eingesetzt werden. Doch bereits 2001 wurde der Kaplan wieder im Bistum Regensburg eingesetzt, Bilder in seiner Personalakte belegten da bereits Ausfluge mit Ministranten – trotz der gerichtlichen Auflage. Das Bistum behauptete damals, die Fotos hatten auch im Nachhinein in die Akte gelangen konnen.

Immer wieder gab es auch innerhalb der Domspatzen Vorwurfe, Muller habe 2010, als die Missbrauchsfalle bei den Domspatzen bekannt wurden, vor allem aus Schutz des damaligen Papstes Benedikt XVI. versucht, eine Aufklarung wenn nicht zu verhindern, dann doch so klein wie moglich zu halten. Benedikts Bruder Georg Ratzinger war selbst als Domkapellmeister zwischen 1964 und 1994 bei den Domspatzen tatig. Er selbst hatte stets von sich gewiesen, beispielsweise von drakonischen Prugeln des Leiters im Internat in Etterzhausen gewusst zu haben. Fur Muller indes seien Vorwurfe gegen ihn nur der Versuch, ihn und seinen Nachfolger auseinander zu dividieren: „Wie aus der Chronologie der diozesanen Auf- arbeitung auf der Homepage des Bistums hervorgeht, habe ich in meiner Eigenschaft als Bischof von Regensburg ab Fruhjahr 2010 nach den erstmaligen Meldungen dieser schweren Delikte an die Bistumsleitung den Aufklarungsprozess initiiert und strukturiert. Ich bin aber froh und dankbar, dass auch nach meiner Amtszeit das 2010 Begonnene mit gro?em Engagement fortgesetzt wird. Der Versuch, einen fruheren Bischof von Regensburg gegen den jetzigen auszuspielen, scheitert angesichts der Tatsachen“, sagte Muller der PNP.

 

 

 

 

 




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