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Fuchssche Legendenbildung

Regenburg Digital
December 26, 2016

http://www.regensburg-digital.de/fuchssche-legendenbildung/29122016/

Marketing, um ihre negative Vorgeschichte zu schönen: Generalvikar Fuchs und Kardinal Müller.

[The vicar general of the Diocese of Regensburg - Michael Fuchs - has published a chronology of his case study (addressed to the victims' attorney at the Regensburg catsparls Ulrich Weber). Whether this was made by him as a private individual or in an official capacity remains unclear. In the introduction, he notes as a motif: Weber's work should only be seen as part of the entire reconnaissance work.]

Wenige Tage bevor der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller in einbem Interview mit der PNP Kritik an seiner „Aufklärungsarbeit“ zum sexuellen Missbrauch bei den Domspatzen als „postfaktisch“ bezeichnete, wurde von Generalvikar Michael Fuchs eine fragwürdige Chronologie der Ereignisse seit 2010 auf den Internetseiten der Diözese veröffentlicht.

Der Generalvikar der Diözese Regensburg Michael Fuchs hat (adressiert an den Opferanwalt bei den Regensburger Domspatzen Ulrich Weber) eine Chronologie seiner Fallaufarbeitung veröffentlicht. Ob diese von ihm als Privatperson oder in amtlicher Eigenschaft gefertigt wurde, bleibt unklar. In der Einleitung notiert er als Motiv: Webers Arbeit dürfe nur als Teil der gesamten Aufklärungsarbeit gesehen werden. Diese Zuschreibung legt nahe, dass die Veröffentlichung im Sachzusammenhang mit dem im Frühjahr 2017 zu erwartenden Schlussbericht Webers besteht und diese korrigieren soll.

1. Die unterschiedlichen Denkweisen von damals und heute: Wozu Chronologien taugen

Chronologien dienen der Bewertung historischer Ereignisse. Sie bemühen sich, im relativierenden Zeitmaßstab frühere Ereignisse für die Gegenwart aufzuarbeiten, um so die verbrannte Vergangenheit von der Gegenwart zu trennen. Das einstige Geschehen soll eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang des Präsens erfahren, um die Gründe, wie es einstmals zum beklagten Übel kommen konnte, in einer Übersetzung zu erläutern. Denn wer in der Gegenwart lebt, sieht die Vergangenheit mit anderen Augen und gerät von der unterschiedlichen Perspektive her gern in Versuchung, das Vormalige ungerecht zu bewerten.

Hinter einer Chronologie kann aber auch die werbende Absicht des Verfassers stehen, alte Dinge für die Zeitgenossen zu fälschen, Fakten wegzulassen, das eigene Versagen beschönigend zu umschreiben und sich selbst freizusprechen. Stimmt dann aber das Marketing nicht und der Chronist wird unter dem Fabelnamen des Fuchses als Heuchler und zur Bosheit neigender Mensch identifiziert, bleibt diese Rufschädigung für immer an ihm hängen. Einmal Dieb, immer Dieb!

2. Die M-Frage als Motiv für die Fuchssche Legendenbildung in der Dompräbende

Schon in seinem Zwischenbericht am 8. Januar hat der Rechtsanwalt Ulrich Weber administrative Mängel bei der Aufarbeitung unter Bischof Müller angedeutet. Auch in der öffentlichen Bewertung der Affäre gelten Fuchs und der vormalige Bischof Müller immer noch als hartherzige „Vertuscher“ ohne religiöse Rückbindung. Sie spüren diese Obdachlosigkeit, wollen im Report des Opferanwalts möglichst gut wegkommen und daher dessen Handlungsspielraum einengen.

Diese Absicht des Trend-Turnings bestätigt auch Müllers Mitteilung, er werde sich, entgegen seiner früheren Weigerung, doch an der Aufklärungsarbeit der Untersuchungskommissionen beteiligen. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen.

Fuchs und Müller bedienen sich dieses Marketings, um ihre negative Vorgeschichte archetypisch zu schönen und Anschaulichkeit dafür zu erzeugen, dass es angeblich schon immer ihre Absicht war, Solidarität mit den Opfern zu zeigen. Ohne ihre Vorarbeit hätte es quasi nie zu dem von Voderholzer eingerichteten Untersuchungskommissionen kommen können, soll die Botschaft lauten. Diese Einlassung aber darf nicht nur Bischof Voderholzer peinlich sein, denn die endgültige Aufarbeitung der Affäre muss Raum schaffen für eine Kirchenrealität ohne Missbrauch.

3. Durch Herauslösen von Fakten aus dem Zusammenhang soll eine neue Lichterkette entstehen.

Die fuchssche Chronologie enthält nur eine Aufreihung längst bekannter Fakten. Neun Seiten Text sollen modal den Eindruck erwecken, man habe vor Webers Untersuchung längst schon alles Erforderliche getan und habe daher ein reines Gewissen. Aber in der Nahaufnahme drängt sich sofort der Eindruck einer knirschenden Wahrheitsliebe auf. Interessant ist nicht, was drinsteht, sondern was fehlt. Ihr Text betont nur die Ordinariatsperspektive, die Zeitlosigkeit des Opferelends dagegen kommt mit keinem Wort vor. Beispiele für die heuchlerische Bestückung der Chronologie gibt es zuhauf.

  • Fuchs erwähnt positiv z. B. Müllers Anordnung, die Untersuchung aller Missbrauchsfälle im Ordinariat zu zentralisieren. Doch war dies nur ein geschickter Schachzug Müllers, die Öffentlichkeit nicht in die Archive der Dompräbende schauen zu lassen und um Herr des Verfahrens zu bleiben. Denn nicht im Ordinariat, sondern bei den Domspatzen lagen die maßgeblichen archivarischen Belege für die Missbrauchsfälle. Müller hätte die gesamte Untersuchung auch an ein Diözesangericht als Kollegialgericht unter Vorsitz eines Offizials mit der Untersuchung verweisen können (CIC can 1400 ff.). Diese sammeln den Prozessstoff selbst, untersuchen von Amts wegen, bedienen sich dazu eines Vernehmungsrichters (Auditor) und Bandenverteidigers (der etwa die Rolle eines Staatsanwaltes einnimmt) alsilfs Hilfsorgane und sind unabhängig von bischöflichen Weisungen. Sie können Untersuchungskommissionen einsetzen, Sachverständige und Zeugen befragen. Hätte das Ordinariat von Beginn an diesen Rechtsweg beschritten, die Aufarbeitung der Missbrauchsgeschichte wäre längst befriedigend für alle abgeschlossen. Fuchs weiß das, sagt es aber nicht.
     
  • Fuchs notiert die Durchsicht von 1460 Ordinariatsakten „aller lebenden Geistlichen (Priester, Diakone) sowie Pastoral- und Gemeindereferenten, Religionslehrer im Kirchendienst“. Nicht untersucht wurden aber die Personalakten aller verstorbenen Geistlichen und Erzieher im Laienstand. Gerade in dieser Gruppe aber war die am öftesten genannten Beschuldigten beheimatet. Sie waren in Pielenhofen und Etterzhausen die Träger eines kirchlichen Organisationsgefüges, in dem wegen fehlender Dienstaufsicht eine ganze Erziehergeneration mit ausgefeilten Missbrauchstechniken planvoll Kinder quälen konnte, ohne dass jemand etwas davon wissen wollte. Die Dimension der Befundfälschung wird erst dann klar, wenn man die Namen der Kinderschänder Meyer und Zimmermann erwähnt. Und: Es ist auch davon auszugehen, dass der Opferanwalt nicht alle Akten sehen und bewerten konnte, weil man ihm nur jene Dokumente vorgelegt hat, die sich auf ihm gemeldete Fälle bezogen.
     
  • Es gab in der Diözese trotz laufender Missbrauchsfälle keinen Verhaltenskodex für kirchliche Mitarbeiter. Wie in der Odenwaldschule oder in Ettal fehlte es an einer Dienstaufsicht und einem Wahrnehmungswillen. Niemand berührte das existenzielle Schicksal der Opfer menschlich, einziges Verhaltenskriterium war die Schonung des kirchlichen Prestiges. Wer diese Information weglässt, steht gut da.
     
  • Bischof Müller hatte sich im April 2010 unter öffentlichem Druck zu den in der Diözese Regensburg bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in einem Hirtenwort relativierend geäußert und dabei den Fokus auf die Auseinandersetzung mit den Medien gelegt. Fuchs berichtet zwar davon, vergisst aber zu erwähnen, dass Müller sich über eine „Medienkampagne, die ihn an die NS-Zeit erinnere“, beklagte. Die Kritik des Zentralrats der Juden in Deutschland an dieser Wortwahl unterschlägt er. Dass die Wende unter Bischof Voderholzer erst durch die Medien erzwungen werden musste, behält Fuchs für sich.
     
  • Fuchs selbst war es, der einen Untersuchungsauftrag der DBK an das renommierte Kriminologische Institut Niedersachen (KFN) in Hannover zu einer Deutschland weiten Untersuchung aller Missbrauchsfälle torpedierte, als er sich weigerte, alle Akten des Bistums Regensburg herauszugeben. Die DBK musste deswegen diesen Untersuchungsauftrag kündigen. In der Chronologie fehlt dazu jeder Hinweis.
4. Fuchs in Erklärungsnot: Die Rechnung bitte, Bischof Voderholzer!

Am Ende kann man nur summarisch feststellen, dass Fuchs versucht, Müllers Unschuldslegende zu adeln und festzuschreiben. Er und Fuchs bedienen sich dazu des halbgaren Tonflusses des VW-Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, der im Abgasskandal behauptet hatte: „We didn ‘t lie“. VW hat für diese liegengebliebene Lüge einen hohen Preis bezahlt. Bischof Voderholzer wird des nicht anders gehen, ihm stehen schwierige Zeiten bevor.

Er muss sich als glaubwürdiger Hirte von Müller und Fuchs erst noch abgrenzen und neu erfinden. Und deswegen dürfen Fuchs und Müller nicht seine Sprecher sein. Was nützen ihm Reuebekenntnisse, wenn sein Generalvikar versucht, die Geschichte der Missbrauchsaufarbeitung in der Dompräbende durch eine Legende umzuschreiben.

Scheitert das von Voderholzer angebahnte Aufarbeitungsmodell, bleibt das Skandalon des Missbrauchs als stinkendes Aas nicht nur vor der Dompräbende, sondern auch vor der Kirchentüre liegen. Deren negative Wahrnehmung wird weiter zunehmen. Für Fuchs wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt, auf Voderholzers Wende eine überzeugende Antwort zu finden. Der freiwillige Rücktritt des Generalvikars wäre versöhnendes Zeichen seiner Einsicht und Größe und würde ihm seine administrative Nahtoderfahrung ersparen.




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