BishopAccountability.org
 
 

Orden Entschuldigt Sich Erst Nach 57 Jahren

General-Anzeiger
January 6, 2017

http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/stadt-bonn/Orden-entschuldigt-sich-erst-nach-57-Jahren-article3441271.html



06.01.2017 BONN. 1959 missbrauchten Geistliche der Redemptoristen einen elfjahrigen Jungen. Das Opfer klagte vergeblich vor Gericht. Erst jetzt hat der Orden sich offiziell bei Beckmann entschuldigt.

Es sind vor allem die nachtlichen Geruche von Schwei? und Sperma, die Dieter Beckmann auch Jahrzehnte nach den Missbrauchstaten nicht mehr loslassen. Es sind diese widerwartigen Gerausche von Mannern, die ihm, dem damals Elfjahrigen, Gewalt antaten. Es ist dieser Spalt Licht einer immer nur kurz geoffneten Tur, aus der nie Rettung kam. „Die haben mich als Opfer betrachtet, das sie jede Nacht aufs Neue abriefen“, sagt Beckmann tonlos.

„Die“ – das waren Tater aus dem Kreis des Redemptoristenordens, die in den Sommerferien 1959, als die Anlage des Collegiums Josephinum von Schulern leer war, jede Nacht uber das in der Stadt fremde Kind herfielen, „Ich war denen ausgeliefert“, sagt Beckmann. „Wenn sie mich penetrierten, habe ich mich starr gestellt.“ Erst jetzt hat der Orden sich offiziell bei Beckmann entschuldigt.

Aber wie kam ein katholischer Junge aus dem Raum Osnabruck an diesen Ort des Schreckens? Durch Jugendpater L., der habe ihn von seinen frommen, armen Eltern „im Bully“ auf kostenlose Sommerferien abgeholt, erklart Beckmann. Er spricht von einem damals uberregional bekannten „Zauberpater“, der in der Jugendhilfe sehr aktiv war und vor seinem Tod 1999 sogar noch das Bundesverdienstkreuz bekam. Pater L. habe ihn in jenen Sommer mit Zwang in Bonn gehalten.

„Es war so dunkel, wenn auch die anderen, noch aggressiveren kamen. Ich sah ihre Gesichter nicht“, sagt der heute 68-Jahrige bitter. Uber Jahrzehnte verschloss er sich. Und dann, als 2010 der Missbrauchsskandal ausbrach, nahm ihm der Orden seine Leidensgeschichte nicht ab, bis vor ein paar Wochen nicht. Denn in den Akten fand sich keine staatsanwaltschaftliche Untersuchung und keine Anklage gegen Pater L.

2013 hatte der GA schon einmal uber den Fall berichtet. Da hatte Beckmann mit Mitgliedern des Vereins „Missbrauchsopfer Josephinum und Redemptoristen“ vor dem Landgericht Bonn dafur demonstriert, endlich gehort zu werden. „Wir sind nicht verjahrt“, stand auf den Transparenten. „Ich will nicht mehr Opfer im Dunkeln sein, sondern Handelnder“, hatte der pensionierte Lehrer dem GA damals gesagt. Zuvor hatte er Strafanzeige gegen Pater L. gestellt. Die Staatsanwaltschaft Bonn hatte das Verfahren wegen Verjahrung eingestellt.

2013 klagte er auf ein Schmerzensgeld von symbolischen 5001 Euro – vergeblich. Denn im Landgericht habe der Ordensvertreter rundweg abgestritten, dass auch nur ein Junge 1959 die Sommerferien in den Raumlichkeiten des Collegiums Josephinum verbracht habe, so Beckmann. „Auch nach uber 50 Jahren war ich erneut das Opfer.“

Drei Jahre lang hat er seither keine Ruhe gelassen. „Wer die Raubtiere loslasst, muss sich auch dafur verantworten“, war seine Devise. Dann trat Gunter Niehuser, der neue Missbrauchsbeauftragte des Ordens, auf den Plan und las die Akten gegen den Strich. Und siehe da: Die Beweisdokumente waren alle da. „Die Akten legten durchaus die Glaubwurdigkeit der Erinnerungen von Herrn Beckmann nahe“, sagt Niehuser im Gesprach mit dem GA.

Sylvia Witte, Vorsitzende des Opfervereins, wird deutlicher: Es lasse sich beweisen, dass sich im Sommer 1959 sehr wohl von Patres eingeladene Jungen auf dem Bonner Gelande befanden. Und dass Pater L. ein auffalliges Padophilen-Profil aufwies. Ein Gutachter habe gewarnt und geraten, ihm den Umgang mit Jungen zu untersagen. Doch im Orden habe niemand die Notbremse gezogen.

„Herr Niehuser hat das Schleusentor geoffnet, sodass der Ordensprovinzial mir vor Kurzem endlich glaubte und sich bei mir entschuldigte“, freut sich Beckmann. Was Ordensprovinzial Pater Johannes Romelt dem GA bestatigt. „Ich bin sehr froh uber die Entwicklung und dass Herr Beckmann meine Entschuldigung angenommen hat.“ Rein juristische Aufarbeitung schlage meist fehl. „Und es tut mir leid, dass es so fur Herrn Beckmann noch viel schwerer geworden ist“, so Pater Romelt. Aber es hatten sich gute Gesprache daraus entwickelt. Dafur danke er auch dem Opferverein.

Dieter Beckmann hat Depressionen hinter sich. Ihn qualten Bindungsangst und Sinnkrisen. Erst seine Tochter hat Licht in sein Leben gebracht. Sie hat ihm jetzt auch zur Seite gestanden. Beckmann schluckt. Und dankt auch den anderen Betroffenen. „Fur uns ist es mit das Wichtigste, sowohl als glaubhafte Zeugen angesehen zu werden als auch die eigene, lange verdrangte Geschichte mit beweisbaren Fakten aus dem Leugnen zu heben“, sagt Winfried Ponsens, Absolvent des Collegiums Josephinum.

Sylvia Witte fordert Konsequenzen: dass die Ordenskonferenz eine unabhangige Studie zum Missbrauch in allen Einrichtungen startet. „Und es mussen eindeutige Standards fur Missbrauchsbeauftragte festgeschrieben werden.“ (Ebba Hagenberg-Miliu)

 

 

 

 

 




.

 
 

Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.