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Nur Lippenbekenntnisse?

Katholisch
January 20, 2017

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Emiliano Fittipaldi ist im Vatikan beruchtigt. Vergangenen Sommer sa? der italienische Enthullungsjournalist noch auf der Anklagebank im Gerichtssaal hinter dem Petersdom, weil er vertrauliche Unterlagen veroffentlichte. Mit seinem neuen Werk "Lussuria", zu deutsch "Wollust" oder "Unzucht", klagt er nun den Vatikan an. Sein Vorwurf: Papst Franziskus rede zwar von einer "Null-Toleranz-Strategie", im Vatikan und in der katholischen Weltkirche werde sexueller Missbrauch durch Priester jedoch bis heute weiter systematisch vertuscht.

Das rund 200-seitige Werk, das am Donnerstag in den italienischen Buchhandel kam, enthalt keine spektakularen Neuigkeiten oder Uberraschungen. Der Redakteur der Zeitschrift "L'Espresso" stutzt sich weitgehend auf bereits bekannte Informationen. Anders als in seinem vorherigen Buch uber die vatikanischen Finanzen kann Fittipaldi diesmal offenbar kaum auf interne vatikanische Unterlagen zuruckgreifen.

Die Vertuschungsvorwurfe ausfuhrlich behandelt

Ausfuhrlich behandelt das Buch die Vertuschungsvorwurfe, die gegen drei Kardinale erhoben werden, die Papst Franziskus besonders nahestehen: Der Australier George Pell, Prafekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, Oscar Rodriguez Maradiaga aus Honduras und Francisco Javier Errazuriz Ossa aus Chile. Alle drei gehoren dem Kardinalsrat an, der Franziskus bei der Kurienreform und der Leitung der Weltkirche berat. Die Vorwurfe sind bekannt, die Beschuldigten bestreiten sie, ein abschlie?endes Urteil aus der Ferne fallt schwer, es bleibt ein unguter Beigeschmack. Pell wies Fittipaldis Darstellung in einer Mitteilung bereits umgehend zuruck.

Dem Vatikan selbst wirft Fittipaldi vor allem vor, dass er Bischofe nicht generell dazu verpflichtet, Verdachtsfalle von sexuellem Missbrauch den staatlichen Behorden anzuzeigen. Bischofe sind nach den geltenden vatikanischen Normen nur dann dazu verpflichtet, wenn die Gesetze ihres Landes dies vorschreiben. Zudem beruft sich Fittipaldi auf einen Bericht der UN-Kinderschutzkommission aus dem Jahr 2014, der den Vatikan scharf kritisierte. Der Bericht wies allerdings nachweislich Fehler und Ungenauigkeiten auf, die auch von nichtkirchlichen Beobachtern beanstandet wurden. Fittipaldi stort das anscheinend nicht. Die journalistische Sorgfalt kommt hier wie auch sonst in seinem Buch oft zu kurz.

Kein gutes Haar lasst Fittipaldi auch an der papstlichen Kinderschutzkommission. Abgesehen von dem Vorschlag, einen Gebetstag fur Missbrauchsopfer einzufuhren und einigen Workshops habe das Gremium bislang so gut wie nichts bewegt, lautet sein vernichtendes Urteil. Der deutsche Jesuit Hans Zollner, Mitglied des Gremiums, wies die Vorwurfe am Donnerstag zuruck. Fittipaldis Einlassungen zu der Kommission wimmelten von Fehlern, Ungenauigkeiten und Vermutungen, sagte der Leiter des Kinderschutzzentrums der Papstlichen Universitat Gregoriana der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Zweifellos legt Fittipaldi den Finger jedoch in manch offene Wunde. So erinnert er etwa daran, dass der Vatikan im Juni 2015 offiziell die Einrichtung eines Gerichts fur Bischofe ankundigte, die sexuellen Missbrauch vertuschen. Dann folgte jedoch rund ein Jahr spater ein papstlicher Erlass, der zwar die Moglichkeit schuf, Bischofe kirchenrechtlich zu sanktionieren, die im Kampf gegen sexuellen Missbrauch ihre Sorgfaltspflicht verletzten - von einem eigenen Gericht, das diese Falle entscheidet, war allerdings keine Rede mehr. Die Grunde blieben offen. Die Entscheidung uber solche Falle liegt also weiter beim Papst. Das ist nach den Worten Fittipaldis aber fur Missbrauchsopfer inakzeptabel.

Ein "System" der Vertuschung

Besonders hart geht Fittipaldi mit der katholischen Kirche seines Heimatlandes Italien ins Gericht: Auf der Apenninhalbinsel sieht er weiter ein "System" der Vertuschung von sexuellem Missbrauch am Werk. Dass die Italienische Bischofskonferenz bislang nicht zur Avantgarde im Kampf gegen sexuellen Missbrauch gehort, ist ein offenes Geheimnis. Auch wenn in Fittipaldis Buch das meiste nicht neu, vieles verkurzt und einiges falsch ist: Es fuhrt trotz allem vor Augen, dass die katholische Kirche im Kampf gegen sexuellen Missbrauch noch viel tun muss.

Pater Hans Zollner, Vizerektor der Papstlichen Universitat Gregoriana in Rom, hat am 5. Februar 2013 bei einer Pressekonferenz in der Universitat in Rom die Ergebnisse eines Symposiums von 2012 gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vorgestellt.

Interview mit dem deutschen Jesuiten Hans Zollner

Der deutsche Jesuit Hans Zollner ist Mitglied der papstlichen Kinderschutzkommission. Er weist die Vorwurfe Fittipaldis im Interview zuruck.

Frage: Der Autor Fittipaldi wirft dem Vatikan schwere Versaumnisse im Kampf gegen sexuellen Missbrauch vor. Franziskus rede zwar viel uber eine "Null-Toleranz-Strategie", tatsachlich blieben jedoch weiter viele Tater unbehelligt. Was sagen Sie dazu?

Zollner: Das Buch wimmelt von Fehlern, Ungenauigkeiten und Vermutungen. Es scheint mir zudem nicht auf dem aktuellen Stand zu sein. Es nimmt nur die Entwicklung bis 2014 oder Anfang 2015 zur Kenntnis. Das kann ich in jedem Fall fur die Passagen uber die papstliche Kinderschutzkommission sagen, der ich ja selbst angehore. Es gilt nach meinem Eindruck aber auch fur weite Teile des Buches insgesamt. Das Anliegen Fittipaldis, die Kirche zu einem entschlossenen Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch zu ermahnen, ist sicher gut und richtig. Doch es wird durch diese Mangel diskreditiert.

Frage: Konnen Sie konkrete Fehler benennen?

Zollner: Fittipaldi schreibt etwa, die Kommission habe sich bislang nur dreimal getroffen und erweckt den Eindruck, wir seien nahezu untatig und erfolglos gewesen. Richtig ist hingegen: Wir haben seit ihrer Grundung acht Sitzungen gehabt, zudem dutzende Sitzungen in den Arbeitsgruppen. Hinzu kommen zahlreiche Workshops weltweit, die jedes Mitglied veranstaltet hat. Der Papst hat viele unserer Vorschlage aufgegriffen. So etwa die seit September bestehende Moglichkeit einer kirchenrechtlichen Sanktionierung von Bischofen, die ihrer Sorgfaltspflicht im Kampf gegen sexuellen Missbrauch nicht nachkommen.

Frage: In dem Buch werden etliche Falle genannt, in denen Priester, die wegen sexuellem Missbrauch vorbestraft oder verdachtigt waren, weiter in der Seelsorge eingesetzt wurden. Fittipaldi erhebt hier schwere Vorwurfe gegen die Glaubenskongregation. Wie kann das sein?

Zollner: Zu einzelnen Fallen kann ich nichts sagen. Das musste ein Vertreter der Glaubenskongregation tun. Die Falle, die Fittipaldi nennt, sind allerdings nicht neu. Uber sie wurde bereits in den Medien berichtet.

Von Thomas Jansen (KNA)

 

 

 

 

 




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