BishopAccountability.org

Die „Domspatzen“ als kulturelles Aufbauwerk des „Führers“?

By Von Robert Werner
Regensburg Digital
January 25, 2017

http://www.regensburg-digital.de/die-domspatzen-als-kulturelles-aufbauwerk-des-fuehrers/25012017/

Ständchen für den Führer: Die Domspatzen 1936 auf dem Obersalzberg.

Theobald Schrems 1937

Domspatzen-Auftritt in Veit Harlans antikatholischem Propagandafilm „Das unsterbliche Herz“ 1939.

Die Domspatzen 1936 vor dem Hermann-Denkmal im Teutoburger Wald.

Seine Vorgehensweise wirkt tendenziös: Dr. Roman Smolorz.

[On behalf of the association "Friends of the Domspatzen" the historian Roman Smolorz is to illuminate the role of the choir in the Nazi era. Now he has published a first essay, which has little hope of an unbiased review.]

Im Auftrag des Vereins „Freunde der Domspatzen“ soll der Historiker Roman Smolorz die Rolle des Domchores in der NS-Zeit beleuchten. Jetzt hat er einen erster Aufsatz dazu veröffentlicht, der wenig Hoffnung auf eine unvoreingenommene Aufarbeitung macht.

Roman Smolorz macht es nur polnischen Interessierten leicht, seine Arbeit lesen zu können. Sein Aufsatz mit dem Thema „Der Regensburger Domchor im oberschlesischen Grenzgebiet und in Polen 1936 und 1940 – Zum deutschen und polnischen Katholizismus in der NS-Zeit“ ist nämlich in einer kleinen polnischen Zeitschrift namens Zaranie Śląskie erschienen.

Obwohl die vom Autor 2016 vorgelegten Ergebnisse keine grundsätzliche Revision darstellen, sind sie dennoch bemerkenswert. Nicht zuletzt wegen der Hintergründe des Aufsatzes, der nur einen Teil einer größeren noch unveröffentlichten Auftragsarbeit ausmacht. Der Auftraggeber von Smolorz, die Freunde des Regensburger Domchores e.V., prüft derweil eine Veröffentlichung.

Bevor diese Hintergründe erzählt werden zunächst zu den Konzerten des Domchors 1936 und 1940.

Charakter der Domchor-Konzerte in Polen

Dr. Roman Smolorz befasst sich in seiner Arbeit mit dem „Charakter der Konzertreisen der Regensburger Domspatzen“ nach Oberschlesien und Polen. Smolorz, seit 2015 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Regensburg tätig, versucht zu klären, ob diese Reisen „vornehmlich sakral (kirchlich), volkspolitisch oder nationalsozialistisch geprägt“ waren. Dazu wählte er einen „komparativen Ansatz“. Er untersucht hierzu die Auftritte von 1936 im polnischen Krakau und Posen und in den schlesischen Städten Zittau, Breslau, Gleiwitz, Beuthen und Hindenburg. Ebenso die Konzerte im Jahre 1940 in Posen, Łódź (Litzmannstadt), Danzig und Königsberg, die im Anschluss an die sogenannte „Balkanreise“ des Domchors (vom 2. Oktober bis 18. November 1940) stattfanden.

Rudimentäres und Fragwürdiges zur Geschichte des Domchors

In Anlehnung an die Selbstdarstellungen von Domspatzenfunktionären (Paul Winterer, Karl-Heinz Birkenseer, Wolfgang Brandl) skizziert Smolorz die Entstehung der „Domspatzen“ nur rudimentär. Demnach habe „der hl. Wolfgang als Abtbischof von Regenburg“ (Bischof seit 972) eine Domschule gegründet, aus welcher der „Regensburger Domchor“ hervorgegangen sei. Im Laufe des 20. Jahrhunderts habe, so Smolorz im Ultraschnelldurchgang, der Chor dann Weltrang erlangt, weil ihn „moderne Medien wie Radio, Schallplatte und schließlich auch das Fernsehen“ ebenso außerhalb des Doms populär gemacht hätten. Seine „Rolle im ‚Dritten Reich‘, als der Chor im Auftrag des Reichskanzlers Adolf Hitler und mancher Berliner Reichsministerien auf Konzertreisen ging“, sei umstritten.

Dass die „Domspatzen“ ihren angeblichen Weltrang vor allem im NS-Regime erreichten und diesen der vielfältigen Unterstützung des Reichskanzlers Adolf Hitlers zu verdanken haben, kann man bei Smolorz nicht erfahren. Kritische diesbezügliche Literatur wird entweder gar nicht herangezogen, oder wie der Aufsatz des Regensburger Spezialisten Helmut Halter (Die „Regensburger Domspatzen“ 1924 – 1945), zwar im Literaturverzeichnis angeführt (leider falsch!), aber inhaltlich ignoriert.

Oberschlesien eine deutsch-polnische Kampfzone

Smolorz weist auf eine Besonderheit Oberschlesiens hin, das unter anderem nach „dem Diktat des Völkerbundes zu Ungunsten der Weimarer Republik“ zur „deutsch-polnischen Kampfzone geworden“ sei. Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg sah der „Versailler Vertrag“ in der Folge tatsächlich Grenzkorrekturen vor. So auch in Oberschlesien, wo nach Volksabstimmungen 1921 mehrere ehemalige deutsche Landkreise an Polen fielen. Teilweise wurden die Kreise auch geteilt. So etwa Beuthen, in dessen Deutschland zugeschlagener Kreisstadt der Regensburger Domchor 1936 ein Konzert abhielt.

Durch die jeweils unter anderem von katholischen Geistlichen beider Länder patriotisch befeuerten Teilungen entstand eine deutsche Minderheit in der Polnischen Republik. Die damaligen Grenzverschiebungen und der daraus resultierende vorgebliche Schutz der deutschen Minderheit blieben ein Dauerthema deutschnational-völkischer und später nationalsozialistischer Politik, bis das NS-Regime Polen 1939 überfiel und sich neben den 1921 abgetretenen Gebieten auch einen großen Teil der polnischen Republik einverleibte. Nach fast fünf Jahren deutscher Vernichtungskrieg im Osten stellte die Rote Armee die Stadt Beuthen am 27. Januar 1945 unter polnische Verwaltung. Seither wird sie „Bytom“ genannt.

Der Autor Roman Smolorz kommt aus Bytom. Auf der Mitarbeiterseite der Universität Regensburg bekennt er sich zu seiner Herkunft in einer etwas unzeitgemäßen Terminologie: „geb. 1967 in Beuthen/ Oberschlesien“.

Erkenntnisleitende Annahmen des Autors

Zur Ausdeutung des Charakters der Konzertreisen der Domspatzen legt Smolorz gewisse Grundannahmen fest. So etwa: „Die Aufgabe, deutsche Kultur den Deutschen und Deutschstämmigen in Grenzregionen und im Ausland zu präsentieren“, wie dies der Domchor getan habe, sei „in den 1930er Jahren nach wie vor als ein politisch opportunes Bestreben“ gesehen worden. „Eine solche Kulturpolitik“ habe dem gesellschaftlichen Konsens entsprochen und sei „gerade 1936 als Patriotismusgebot der gemeinsame Nenner für die katholische Kirche und den politischen Katholizismus in Deutschland sowie für die Partei- und Regierungsprogrammatik“ gewesen.

Die Propaganda des NS-Staates durch den Domchor habe es, so eine weitere Annahme, bestens verstanden, die Domspatzen-Konzerte „außer für die allgemein akzeptierten deutschnationalen Belange in Oberschlesien auch zu seinen eigenen Gunsten einzusetzen“. Andererseits betont Smolorz die Feindschaft von Nazis gegenüber den Auftritten des Domchors, ohne irgendein konkretes Beispiel, etwa für ein Konzertverbot, angeben zu können.

Wie Smolorz für die gesellschaftlichen Verhältnisse von 1936 eine Grenze zwischen „akzeptiert deutschnational“ und nationalsozialistisch ziehen kann, wird von ihm nicht erörtert. Eine solche Grenze wird nur behauptet. Abgesehen von einem ökonomischen Eigeninteresse bleibt die Domspatzenleitung bei Smolorz in politischer, kultureller und kirchlicher Hinsicht eigenartig interessenslos.

Theobald Schrems – Opportunist und Günstling des „Führers“

Auffällig ist, dass Smolorz die Regensburger Domspatzen als Opfer einer nationalsozialistischen Vereinnahmung und der Nazis im Vorstand der Freunde des Regensburger Domchores e.V. begreift. Dass sich etwa Domkapellmeister Theobald Schrems (und ebenso ein Großteil der Sängerknaben und Ehemaligen) dem NS-Regime aus Eigeninitiative angebiedert haben und so zu extraordinären Ruhm gelangten, diese These kann der Autor wegen seinen tendenziösen Grundannahmen überhaupt nicht in den Blick nehmen. Dies ist insofern unverständlich, da bereits der Regensburger Historiker Helmut Halter ebendiese Eigeninitiative in seiner Arbeit von 1992 herausarbeitete.

Die Kollaboration des Domkapellmeisters Theobald Schrems mit dem Naziregime wird von Roman Smolorz, versteckt in einer Fußnote, nur angedeutet. Ohne die Zusammenhänge weiter zu verfolgen, bezeichnet er Schrems als „Opportunisten“, der „dem Reichskanzler, also Hitler, für den ihm 1937 verliehenen Professorentitel“ mit den Worten dankte:

„Sowohl ich wie mein Chor betrachten diese hohe Ehre als neue Verpflichtung am kulturellen Aufbauwerk unseres Führers mit aller Kraft mitzuarbeiten und uns in den Dienst von Volk und Vaterland zu stellen.“

Wäre Roman Smolorz dieser und anderen pronationalsozialistischen Positionierungen des Domkapellmeisters Schrems tatsächlich nachgegangen, wären seine interessengeleitenden Grundannahmen wie ein Kartenhaus zusammengefallen.

Konzerte von 1936: Kein kirchlicher Charakter

Als Untersuchungsergebnis formuliert Smolorz, dass die Konzerte in Oberschlesien 1936, „keinen kirchlichen Charakter“ aufgewiesen hätten. Der musikalische Ausdruck der deutschen Kultur, „welche die Bevölkerung des Industriegebietes dank der Domspatzen genießen konnte“, sei im Vordergrund gestanden. Anders in Krakau und Posen, dort könnten die Konzerte „möglicherweise ökonomisch“ motiviert gewesen sein. Jedenfalls seien die Einnahmen aus den oberschlesischen Konzerten mit Dreitausend Reichsmark fast dreimal so hoch gewesen, wie die in den polnischen Städten.

Als Argument für diesen Befund zitiert der Autor ein Schreiben des deutschen Konsuls in Krakau, der 1936 an Domkapellmeister Theobald Schrems meldete, dass „die dortigen Konzertbesucher überwiegend ‚Nichtarier‘ sein würden“ und die Deutschen in der Minderheit seien. Ob nun tatsächlich mehr „Arier“ als „Nichtarier“ die Konzerte besucht haben und warum gerade deshalb „deutsche Kultur“ vermittelt werden sollte, oder andernfalls eben nicht, kann oder mag Smolorz nicht angeben.

Weit hergeholte Spekulationen

Generell seien laut Smolorz die damaligen Bedingungen für Konzerte kirchlicher Musik in Schlesien ungünstig gewesen. Zum einen wegen einer angeblich handlungsleitenden Kirchenfeindlichkeit der Nazis. Zum anderen breitet der Autor eine weit hergeholte Spekulation aus: Da sich zahlreiche Geistliche „in der Heimatdiözese des Domchores, in der Oberpfalz, “ erlaubt hätten, „die NS-Ideologie zu missbilligen“, hätte es in Schlesien Vorbehalte gegen dessen Konzerte gegeben.

Mit der gleichen kruden Logik könnte man behaupten, dass der Oberpfälzer Geistliche Josef Engert, der die nationalsozialistischen Rassengesetze begrüßte und die sogenannten Slawen und Ostjuden als „Gefahr für die nordische Rasse“ ansah, einen Auftritt des Domchors in Schlesien begünstigt hätte. Abstrus.

Wer diese „zahlreichen Geistlichen“ gewesen sein könnten, bleibt ein Geheimnis von Roman Smolorz. Auch eine angebrachte Fußnote gibt keinerlei Hinweise auf sie und verweist stattdessen auf ganz andere Zusammenhänge.

Insgesamt hinkt der von Smolorz gewählte „komparative Ansatz“ beträchtlich, weil er nur die besagten Domspatzen-Konzerte untereinander vergleicht und diese nicht etwa mit denen anderer Chöre. Hätte der Autor den famosen Auftritt der „Domspatzen“ zu Ehren des „Führers“ auf dem Nazi-Parteitag des Großdeutschen Reichs 1938 in Nürnberg in seinen komparative Ansatz einbezogen (oder wenigstens erwähnt), hätte er seine Herangehensweise nicht aufrecht erhalten können.

Konzerte in Oberschlesien 1940

Anders als 1936 habe sich, so Smolorz, das „Dritte Reich“ 1940 im Krieg befunden und die römisch-katholischen Chöre und die Kirche „als Feind beargwöhnt“. Auch wenn der Domchor „im Ausland für das nationalsozialistische Deutschland aufgetreten“ sei, habe er „für zahlreiche Nationalsozialisten von vornherein einer gegnerischen Welt“ angehört. Die Situation sei insofern widersprüchlich gewesen, als „man von lokalen Nationalsozialisten angegriffen“ worden, von Berlin aus aber geschützt gewesen“ sei. Die Konzerte in Schlesien und Polen 1940 sind laut Smolorz von der Reichskanzlei mit fast 17.000 Reichsmark finanziert worden. Ihr Ziel: „wie gewohnt, die deutsche Kultur im Ausland repräsentieren“.

Die Konzerte der wenige Tage vorher beendeten „Balkanreise“ hätten sowohl in Kirchen als auch, organisiert von der NS-Organisation „Kraft durch Freude“, vor deutschen Soldaten stattgefunden, so der Autor. Smolorz meint daher „von einer Indienstnahme vonseiten der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie sprechen“ zu können.

Andererseits spekuliert der Autor und hebt hervor, „dass zahlreiche ehemalige Domspatzen, Geistliche und sicherlich auch Familienangehörige sowohl der geistlichen Kirchenchorleitung als auch der Singknaben Soldaten“ gewesen wären. Offenbar soll damit eine Teilentlastung des Domchors vom Vorwurf der Nazi-Propaganda erreicht werden. Oder wie Smolorz meint: „Die Beweggründe, singen zu wollen, können daher mannigfaltig gewesen sein.“

Dass sich Domkapellmeister Schrems zu der von Smolorz mehrfach erwähnten „Balkanreise“ frohlockend geäußert hat, erfährt man durch den Aufsatz nicht. Zum „gemeinsamen Einzug des Chores und der deutschen Truppen“ in die rumänischen Hauptstadt Bukarest von 1940 schreibt Theobald Schrems: Der Einzug sowie der darauf folgende Festabend mit den „faschistischen Abordnungen und Falangevertreter(n)“ sei für jeden Teilnehmer „ein unvergeßliches Erlebnis“ gewesen. Der „Dank des Führers“ sei ihm „die größte Freude“ gewesen, so Schrems 1941 in einer Kirchenmusikzeitschrift.

„In manchen NS-Kreisen als unerwünscht“?

In einer sehr kurzen Schlussbetrachtung und mit Blick auf die zeitgenössische Berichterstattung in Zeitungen geht Smolorz bezüglich der Konzerte in Krakau von 1936 von „Propagandaveranstaltungen zugunsten der dortigen Deutschen“ aus und verweist auf ein gewisses finanzielles Interesse des Chors. Die von der Chorleitung ausgehenden eigenen Berichte seien 1940 „linientreu“ gewesen. Andererseits hätten die Auslandskonzerte des Chors „in manchen NS-Kreisen als unerwünscht“ gegolten, was nicht weiter belegt wird.

Smolorz spricht im Schlussteil von einem „komplexen Beziehungsgeflecht“, wenn „man nationale, kirchenpolitische und ideologische Gegebenheiten zu berücksichtigen“ habe. Seine Arbeit könne „bestenfalls als ein erster Schritt gelten, das Gesamtbild des musikalischen Lebens, der ehemaligen deutschen Ostprovinz Oberschlesien zwischen 1933 und 1945 zu zeichnen.“ Hinsichtlich der Geschichte der Domspatzen und ihrer Rolle im NS-Regime hat er allerdings, neben vielen interessanten Details und Hinweisen, nur den Bruchteil eines ersten Schrittes abgeliefert, der für historisch Interessierte ohne detaillierte Vorkenntnisse unverständlich bleiben dürfte.

Größeres Forschungsprojekt bleibt unerwähnt

Warum der hier besprochene Aufsatz in einer polnischen Zeitschrift in deutscher und polnischer Fassung abgedruckt wurde, ist undurchschaubar. Mit seinen acht dichtgedruckten DINA5-Seiten und mit fünf Seiten voller Fußnoten kann er Zusammenhänge nur anreißen und vieles Grundlegendes gar nicht darstellen. Eine Erklärung dürfte in einem Forschungsauftrag liegen, den Smolorz jedoch nicht erwähnt.

Ein solcher wurde bereits Ende 2013 vorbereitet, wie der Bayerische Rundfunk seinerzeit kurz berichtete. Im Auftrag des Vereins Freunde des Regensburger Domchores e.V. erforschte Smolorz daraufhin von April 2014 bis Mai 2016 das Thema „Die Regensburger Domspatzen und ihr Leiter Theobald Schrems im Spannungsfeld zwischen Katholischer Kirche und NS-Staat“. Das daraus entstandene Manuskript befindet sich seitdem im Lektorat.

Laut Auskunft des Vereinsvorstands der Domchor-Freunde, Marcus Weigl, von Dezember 2016 werde die Vorstandschaft voraussichtlich in der ersten Klausur 2017 erörtern, „in welcher Form und wann wir die Arbeitsergebnisse veröffentlichen“ werden. Die Entscheidung werde in Absprache mit den Verantwortlichen des Bistums geschehen, „die diese wissenschaftliche Aufarbeitung von Anfang an begrüßt und unterstützt haben“.

Solange wollte Smolorz offenbar nicht warten, zumal der Ausgang der diözesanen Überprüfung ungewiss scheint.

Auftragsarbeiten für gefällige Ergebnisse?

Obwohl der Osteuropa-Historiker Smolorz, der von 1983 bis 1997 Geschichte, Rechtsgeschichte und Westslawische Sprachwissenschaft studierte und sich 2001 in Regensburg promovierte, ausweislich seiner Publikationsliste weder als Experte für Kriegsende 1945 noch für NS-Geschichte oder gar als Fachmann für die Verwicklungen der katholischen Kirche im NS-Regime gelten kann, kommt er in Regensburg bei Forschungsaufträgen zu diesem Bereich auffällig häufig zum Zuge.

Als Mitarbeiter des ehemaligen Regensburger Stadtarchivars Heinrich Wanderwitz hat er über Jahre stadtgeschichtlich relevante und gesellschaftspolitisch aufgeladene Themen im Sinne seines Auftragsgebers und fleißig abgearbeitet, bei auswärtigen Experten aber zum Teil Ärger und Verwunderung hervorgerufen. So etwa bei der Veröffentlichung mit dem unsäglichen Titel „Juden auf der Durchreise“ (2010), die offenbar vorwiegend aus Prestigegründen und unter enormen Zeitdruck hergestellt wurde (eine Rezension).

Forschungen für Drittmittel-Geber

Die abgeschlossene Forschung zu der NS-Propaganda der Domspatzen wurde als sogenanntes Drittmittelprojekt abgewickelt, sprich der Verein der Domchor-Freunde hat dafür bezahlt. Da Roman Smolorz als wissenschaftlicher Mitarbeiter selber keine Drittmittel annehmen darf, wechselte er dafür 2015 vom Institut für Ost- und Südosteuropaforschung an den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Regensburg von Dr. Mark Spoerer. Zeitgleich arbeitet er an seiner Habilitation zum Thema „Immigranten aus dem östlichen Europa in der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1989 zwischen Integrationskonzepten und sozialer Realität“.

Zuletzt bekam er im Oktober 2014 den 250.000 Euro schweren Auftrag, „Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Regensburg“ in einem zweijährigen Forschungsprojekt zu untersuchen.  Dieses wird unter anderem vom Lehrstuhlinhaber für Bayerische Geschichte, Prof. Bernhard Löffler, abgewickelt und voraussichtlich erst 2018 abgeschlossen sein.

Nebenbei: Löffler lieferte in der Auseinandersetzung um den NS-Bürgermeister Hans Herrmann eine äußerst fragwürdige Stellungnahme ab und wurde vor kurzem vom Regensburger Bischof mit der Erforschung der Amtszeit von Domkapellmeister Georg Ratzinger und der Zeitumstände der Übergriffe in den Einrichtungen der Domspatzen beauftragt

Noch einmal zurück zum Auftrag der Domchor-Freunde an Roman Smolorz, den Domchor in der Nazizeit unter Theobald Schrems zu erforschen.

Die Geretteten und der Professor von Hitlers Gnaden

In der Ankündigung dieses Projekts verweist Smolorz auf die defizitäre Forschungslage zum Thema und kündigt unter anderem an, „das Verhalten des Domkapellmeisters während des ‚Dritten Reiches‘ … historiographisch neu zu verorten.“ Sinnvoll erscheine ihm, „den Blickwinkel auf die ‚Grauzonen’ zu richten, denen man methodisch bereits 1986 als Ergebnis der Studie des Holocaust-Überlebenden Primo Levi begegnet“ sei. Was ist mit „Grauzonen“ gemeint?

Primo Levi, der die Vernichtungsmaschinerie der Deutschen gegen ihn als Juden im KZ Auschwitz-Monowitz durch kriegswichtige Zwangsarbeit als Chemiker überlebte, quälte sich bis zu seinem Freitod 1987 mit den schambesetzten Fragen der Zufälligkeit und der Schuld seines Überlebens. In seiner Abhandlung „Die Untergegangenen und die Geretteten“, die übrigens erst 1990 als deutsche Übersetzung erschienen ist, erörterte er kurz vor seinem Tod nochmals all seine Fragen eines „Privilegierten“ und Überlebenden der Konzentrationslager. Er spürt darin auch den beschämenden „Grauzonen“ nach, die seiner Analyse nach in der Häftlingshierarchie der Konzentrationslager und aus der Beteiligung der sogenannten Funktionshäftlinge am Vernichtungsprozess entstanden sind.

Doch was verbindet einen Primo Levi mit einem Theobald Schrems? Gelten seine „Grauzonen“ auch für einen Domkapellmeister, der nie einer antisemitischen oder rassistischen Vernichtungspolitik oder sonstigen Verfolgungen ausgesetzt war, sondern als NS-Karrierist aufstieg, und der sich nach 1945 als Opfer des Systems darstellen und seinen von Hitlers gewährten Professorentitel partout nicht mehr abgeben wollte?

Obwohl die Studie zu Domkapellmeister Theobald Schrems noch nicht vorliegt: Dass Smolorz in seiner Ankündigung meint, das Werk eines Primo Levis für seine Arbeit instrumentalisieren zu können, ist allein schon an Impertinenz und Unverständnis gegenüber dem Werk des Überlebenden und der Person Primo Levi kaum zu überbieten. Wer denkt, sich einer Figur wie Theobald Schrems auf diese Weise nähern zu können, offenbart grundlegende Defizite oder hat ganz anderes im Sinn.

Es ist zu befürchten, dass sich die tendenziöse Vorgehensweise, die Roman Smolorz im hier besprochenen Aufsatz zu „Der Regensburger Domchor im oberschlesischen Grenzgebiet und in Polen 1936 und 1940“ an den Tag legt, auch in den noch ausstehenden Ergebnissen der Auftragsarbeit zu Theobald Schrems niederschlägt.




.


Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.