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War Der Papst Zu Barmherzig? -ein Missbrauchsfall in Italien Wirft Neue Fragen Auf

cath.ch
March 3, 2017

https://www.kath.ch/newsd/ein-missbrauchsfall-in-italien-wirft-neue-fragen-auf/

Rom, 3.3.17 (kath.ch) Im Juni 2014 stand Bischof Oscar Cantoni vor einer Aufgabe die ihm offenbar nicht ganz leicht fiel: Der Leiter des norditalienischen Bistums Crema musste seinen Glaubigen erklaren, warum «die Glaubenskongregation im Namen von Papst Franziskus» die Strafe fur Don Mauro Inzoli abmilderte, der mehrere Jugendliche sexuell missbraucht hatte.

Keine Sunde sei so schrecklich, dass man ihr nicht mit Barmherzigkeit begegnen konne, schrieb der Bischof in seiner Erklarung vom 26. Juni 2014. Hierbei zitierte er aus dem Buch «Barmherzigkeit» des deutschen Kurienkardinals Walter Kasper; Franziskus hatte das Werk ausdrucklich empfohlen.

Ais Der Fall Inzoli hatte in Italien landesweit ein gewisses Aufsehen erregt. Wegen seiner Vorliebe fur teure Autos erhielt der charismatische Geistliche den Beinamen «Don Mercedes». Zudem bekleidete er eine fuhrende Position in der katholischen Gemeinschaft «Comunione e Liberazione», die in Norditalien sehr einflussreich ist, und enge Kontakte zur Politik unterhalt.

Zugleich war Don Mauro Mitbegrunder der «Banco alimentare». Diese landesweite Initiative sammelt von Firmen und Privatleuten Lebensmittel, um sie an Bedurftige zu verteilen. Als Pfarrer und Rektor des katholischen Shakespeare-Gymnasiums in Crema kam er oft mit Kindern und Jugendlichen zusammen.

Entlassung

Im Dezember 2012, also noch im Pontifikat von Benedikt XVI., hatte die Glaubenskongregation die Entlassung Inzolis aus dem Priesterstand verfugt. Gleich nach der Exkommunikation ist dies die kirchenrechtliche Hochststrafe fur Priester.

Anderthalb Jahre spater nun hatte Cantoni seinem Bistum mitzuteilen, dass die Glaubenskongregation Inzoli in einem neuen Erlass lediglich zu einem zuruckgezogenen «Leben in Gebet und demutiger Zuruckhaltung» verurteilt. Das von Kurienkardinal Gerhard Ludwig Muller unterzeichnete Dekret verpflichtete den Missbrauchstater, kunftig seinem Heimatbistum fernzubleiben, die Sakramente nicht mehr offentlich zu feiern und keine Aufgaben zu ubernehmen, die ihn in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen bringen. Zudem muss er sich einer mindestens funfjahrigen Psychotherapie unterziehen. Damit gab die vatikanische Behorde einem Einspruch des Geistlichen statt.

Verurteilt

Auch in den nachsten Jahren blieb Inzoli in den Schlagzeilen. Im Januar 2015 besuchte er ungeachtet seiner Auflagen in Mailand einen Kongress zum Thema Familie. Mit einiger Verzogerung nahm sich schliesslich auch die italienische Justiz des Falls an. Im Juni 2016 wurde der heute 66 Jahre alte Priester von einem Gericht in Cremona zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er zwischen 2004 und 2008 funf Minderjahrige im Alter von 12 bis 16 Jahren wahrend der Beichte missbraucht hatte. Mehrere weitere Fallen seien bereits verjahrt. Sexueller Missbrauch im Beichtstuhl ist kirchenrechtlich ein besonders schwerwiegendes Vergehen.

Null-Toleranz

Anfang dieses Jahres erregte dann der italienische Journalist Emiliano Fittipaldi mit einem Enthullungsbuch uber den Umgang der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch grosse Aufmerksamkeit in Italien. Darin behauptet er, dass Franziskus zwar offentlich eine Null-Toleranz-Strategie predige, der Vatikan und auch der Papst selbst in der Praxis jedoch davon abwichen. Als prominentestes italienisches Beispiel fur seine These fuhrte Fittipaldi die Strafmilderung fur Inzoli an.

Seit einigen Tagen ist der Fall Inzoli nun wieder in den Medien. Die Nachrichtenagentur AP behauptete in einem Bericht, Franziskus habe personlich zugunsten Inzolis eingegriffen und sich hierbei uber das Votum der Glaubenskongregation hinweggesetzt. Demnach pladierte die Behorde offenbar dafur, dem Einspruch des Geistlichen nicht stattzugeben. Uber die Entlassung eines Geistlichen aus dem Priesterstand muss laut dem Kirchenrecht der Papst entscheiden. Die Glaubenskongregation unterbreitet einen Entscheidungsvorschlag.

Warten auf den Vatikan

Der Bericht berief sich auf die ubereinstimmenden Aussagen von «zwei Kirchenrechtlern und einem kirchlichen Amtstrager». Auch in anderen Fallen soll Franziskus demnach angeblich zugunsten von Beschuldigten interveniert haben. Der Bericht schlug international hohe Wellen. In manchen Medien wurde Kritik am Papst laut. Eine offizielle Bestatigung vom Vatikan dafur gibt es freilich ebenso wenig wie ein Dementi.

Kardinal Muller sagte in einem FAZ-Interview (Freitag) dazu, im Fall Inzoli seien «die Akten noch nicht geschlossen». Es gebe «neue Elemente», uber die er nicht sprechen konne. (cic)

 

 

 

 

 




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