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Naturlich Gibt Es Widerstand

Katholisch
March 9, 2017

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Bei ihrer Einsetzung 2014 gehorten der papstlichen Kinderschutzkommission zwei Opfervertreter an: der Brite Peter Saunders und die Irin Marie Collins. Bereits im Februar 2016 hatte Saunders eine "Auszeit" angekundigt, weil er unzufrieden war. Vor einer Woche ist nun auch Collins zuruckgetreten. Ihre Begrundung: "hartnackiger Widerstand" in der Kurie. Der Jesuit Hans Zollner gehort der Kommission ebenfalls an. Mit ihm hat katholisch.de uber Collins' Rucktritt, die Kompetenzen des Gremiums und das erschreckende Thema Missbrauch gesprochen.

Frage: Pater Zollner, die Kinderschutzkommission sollte auch den Opfern des Missbrauchs eine Stimme geben. Mit dem Rucktritt von Marie Collins gehort nun aber kein Betroffener mehr dem Gremium an. Ist die Kommission damit gescheitert?

Zollner: Naturlich sind der Schock und die Enttauschung uber den Rucktritt von Marie gro?. Ich glaube aber, dass nicht einmal sie selbst von einem Scheitern der Kommission sprechen wurde. Sie hat in all ihren Interviews seit dem Rucktritt betont, dass sie eine positive Bilanz der Arbeit der Kommission zieht. Marie wird auch weiterhin mit der Kommission sowie dem Kinderschutzzentrum CCP der Universitat Gregoriana zusammenarbeiten. Ich selbst wurde ebenfalls nicht von einem Scheitern sprechen. In nicht einmal drei Jahren haben wir einiges bewegt, das jetzt leider durch Maries bedauernswerten Rucktritt nicht gewurdigt wird.

Frage: Was ware das?

Zollner: Es sind Dinge, an denen Marie selbst mitgewirkt hat. Einer der wichtigsten Punkte ist die Schulung von neuen Bischofen und von Vatikanpersonal, die es vor rund einem Jahr noch gar nicht gegeben hat. In Australien, Sudafrika, Irland oder Polen haben gerade Gebetstage fur Missbrauchsopfer stattgefunden, die auf unsere Initiative hin entstanden sind. Das ist mehr als eine schone Geste, da sich Kirche und Gesellschaft dadurch mit dem Thema Missbrauch auseinandersetzen mussen. Auch fur das Apostolische Schreiben "Wie eine liebende Mutter" aus dem Juni 2016, in dem es um den Umgang mit Bischofen geht, die Missbrauch vertuscht haben, haben wir Ideen geliefert.

Frage: Trotz der Erfolge ist mit Marie Collins ja die zweite Opfervertreterin aus der Kinderschutzkommission ausgeschieden. Vor einem Jahr hatte bereits Peter Saunders eine "Auszeit" genommen. Wieso funktioniert die Zusammenarbeit nicht?

Zollner: Die beiden Falle muss man sicher unterscheiden. Peter Saunders' Auszeit ist genau gesehen eine Suspendierung, da er gegen die internen Regeln der Kommission versto?en hat. Er hat aus Sitzungen berichtet und damit gegen das Prinzip der Vertraulichkeit versto?en, das wir zuvor gemeinsam beschlossen hatten. Er hat au?erdem als Mitglied der Kommission diese und den Papst offentlich kritisiert. Bei Marie gab es andere Grunde. Sie spricht davon, dass einige Manner im Vatikan nicht verstehen, wie wichtig das Thema ist. Dass die Glaubenskongregation im Dezember erklart hat, Briefe von Missbrauchsopfern nicht beantworten zu konnen, hat das Fass fur sie zum Uberlaufen gebracht. Ihre Geduld wie auch ihre Kraft waren am Ende.

Frage: Wo genau liegt das Problem?

Zollner: Alle, und besonders Betroffene von Missbrauch wie Marie wollen, dass es beim Thema Aufarbeitung und Pravention von Kindesmissbrauch schnell und konsistent vorangeht. Doch man muss leider sagen, dass nicht alle Vatikanmitarbeiter und auch nicht alle Bischofskonferenzen oder Bischofe mit der Schnelligkeit, Klarheit und Intensitat reagieren, wie es notig ware.

Frage: Wurden Sie sagen, dass es bei Opfervertretern vielleicht auch eine uberhohte Erwartungshaltung gegeben hat?

Zollner: Ich wurde sagen, dass den meisten Menschen nicht klar ist, welche Aufgabe und welche Kompetenzen die Kinderschutzkommission hat – obwohl es vielfach erlautert worden ist. Die Kinderschutzkommission ist ein Beratungsgremium des Papstes. Sie macht Vorschlage, die der Papst aufnimmt, unter Umstanden modifiziert und dann weitergibt. Sie hat keine rechtlichen Kompetenzen. Im Fall von Missbrauchen kann nicht sie, sondern konnen nur die Glaubenskongregation sowie die Heimatbischofe und Provinziale die Tater verurteilen.

Opfervertreter Peter Saunders nimmt seit Anfang Febraur 2016 eine "Auszeit" von seiner Mitarbeit in der vatikanischen Kinderschutzkommission.

Frage: Als ehemaliges Mitglied wird Marie Collins ja um die Aufgaben und Kompetenzen gewusst haben. Sie kritisiert ja auch nicht die Kommission selbst, sondern den "hartnackigen Widerstand" einiger Kurienmitarbeiter. Wie sehen Sie das?

Zollner: Naturlich gibt es Widerstand, aber nicht speziell gegen Opfervertreter oder die Kinderschutzkommission. Das ganze Thema Missbrauch ist zutiefst schrecklich und erschreckend. Sich damit auseinanderzusetzen und sich dem zu stellen, erfordert viel Mut. Und ich glaube, dass das vielen Klerikern, aber auch Nicht-Klerikern sehr schwer fallt. Das beschrankt sich nicht nur auf die Kurie. Ich habe am Montag – drei Jahre nach Einrichtung der Kommission – zum ersten Mal vor italienischen Bischofen in Bologna uber das Thema sprechen konnen. Ahnlich war es vor ein paar Wochen in Ecuador und Kolumbien, und ahnlich wird es nachste Woche in Malawi sein. Man muss konstatieren, dass das Thema Missbrauch noch nicht weltweit angekommen ist. Nicht in der Kirche, aber auch nicht in der Gesellschaft. Aber heute lasst es sich nicht mehr wegwischen. Das ist auch ein Verdienst der Kommission: Sie hat es in die Weltoffentlichkeit getragen. Die Frage bleibt, ob sich die Verantwortlichen in der Kirche dem Thema aktiv und aus eigener Motivation stellen oder erst dann, wenn Skandale offentlich werden.

Frage: Oder wenn es Befehle aus Rom gibt...

Zollner: Das ist ein Metathema bei der ganzen Sache. Auf der einen Seite kritisiert man Rom – zum Teil zu Recht –, dass nicht koharent mit dem Thema Kindesmissbrauch umgegangen wird. Auf der anderen Seite setzen Bischofskonferenzen bis heute Anweisungen der Glaubenskongregation aus dem Jahr 2011 nicht um. Man kann sich naturlich fragen, warum niemand diese zur Rechenschaft zieht. Ganz einfach: Weil die Kirche keine Mechanismen hat, ganze Bischofskonferenzen zu sanktionieren. Auch funf Jahre nach Ablauf der von Rom gesetzten Frist haben zum Beispiel einige westafrikanische Lander keine Richtlinien fur den Umgang mit Missbrauchsopfern und Tatern.

Frage: Wie geht es nun mit der Arbeit der Kinderschutzkommission weiter? Wird eine Opfervertreterin nachnominiert?

Zollner: Das glaube ich deshalb nicht, weil das erste dreijahrige Mandat der Kommission mit Ende dieses Kalenderjahres auslauft. In den nachsten Wochen werden wir dem Papst Vorschlage unterbreiten, wie es weitergehen soll. Das bedeutet aber nicht, dass die Stimmen der Opfer ohne Marie nicht mehr reprasentiert waren. Seit ihrem Rucktritt habe ich viel Post und Anrufe von Betroffenen bekommen, die uns zum Weitermachen auffordern. Und das werden wir tun. Die Arbeit der Kommission wird weitergehen – auch nach 2017

 

 

 

 

 




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