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Papst Franziskus in Der Bredouille

Sueddeutsche
June 29, 2017

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Tut der Pabst wirklich alles, um die Skandale um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche aufzuklaren? Manche bestreiten das. (Foto: dpa)

Die Sensation kommt in durren Zeilen daher: Kardinal George Pell sei mit jahrzehntealten Vorwurfen aus Australien konfrontiert, hei?t es im Bulletin des papstlichen Pressesaals in Rom, und "in vollem Respekt vor den staatlichen Gesetzen" habe der Kardinal entschieden, sich in seiner Heimat den Anschuldigungen zu stellen und bei der Wahrheitssuche zu helfen. Papst Franziskus habe Pell deshalb die "Erlaubnis fur eine Auszeit" gegeben. Der Vorwurf, mit dem sich Kardinal Pell, der Finanzchef der Kurie und Beauftragte des Papstes fur die Kurienreform, nun auseinandersetzen muss, lautet: sexueller Missbrauch an Minderjahrigen. Noch nie hat es ein Verfahren gegen einen derart ranghohen Vertreter der katholischen Kirche gegeben: Pell gilt als Nummer vier in der Kurie, nach Papst, Kardinalstaatssekretar und Prafekt der Glaubenskongregation.

Die australische Polizei sagt bislang nicht, worum es konkret geht. Seit einigen Jahren aber gehen immer wieder Manner an die Offentlichkeit und berichten, dass Pell ihnen gegenuber ubergriffig geworden sei. Zwei Manner sagen, er habe sie in den Siebzigerjahren, als er Priester in Ballarat war, im Schwimmbad unsittlich beruhrt. Vorwurfe gibt es aber auch aus der Zeit, als Pell Erzbischof von Melbourne war - immerhin bis 2001. Die australischen Ermittler halten dies offenbar fur schwerwiegend genug, um ein Verfahren einzuleiten; am 18. Juli muss Pell in Melbourne Rede und Antwort stehen.

Pell verteidigte sich an diesem Donnerstag in Rom vor den Journalisten, die Anschuldigungen seien "Rufmord": "Ich wiederhole, dass ich unschuldig bin. Diese Vorwurfe sind falsch. Die ganze Vorstellung von sexuellem Missbrauch ist fur mich abscheulich", sagte er; die Geschichten, um die es gehe, seien "historisch". Er werde seine Unschuld beweisen. Im Vatikan sind sich da nicht alle so sicher - doch selbst, wenn sich die Anschuldigungen als haltlos oder zumindest als nicht mehr uberprufbar erweisen sollten, ist die ganze Angelegenheit eine Katastrophe fur den Vatikan und auch fur Papst Franziskus personlich. Er machte 2014 Pell zu einem der machtigsten Manner im Vatikan, obwohl es schon damals eine Reihe von Belegen dafur gab, dass der Kardinal als Erzbischof Missbrauchsfalle eher vertuschen als aufklaren lie?. Und obwohl es schon damals auch Vorwurfe gegen ihn personlich gab. Offenbar aber erschienen die Qualitaten Pells als tatkraftiger Organisator wichtiger als die Angst, jemanden zu befordern, der die papstlichen Bemuhungen gegen sexuelle Gewalt ad absurdum fuhren konnte.

Umso schmerzhafter bei?en sich nun des Papstes scharfe Worte gegen den sexuellen Missbrauch mit der Realitat im Vatikan. Franziskus lasst keine Gelegenheit aus, um zu erklaren, dass solche Ubergriffe des Teufels sind und es keine Toleranz gegenuber ubergriffigen Kirchenmitarbeitern oder den Vertuschern solcher Taten geben durfe; im Februar erst hat er ein Vorwort im Buch des Missbrauchs-Betroffenen Daniel Pittet geschrieben und dort "demutig um Vergebung" fur die Fehler der katholischen Kirche gebeten.

Immer wieder hakt es bei der Aufarbeitung und Bekampfung sexueller Gewalt

Doch das Verfahren gegen Pell ist nur eine von mehreren Geschichten, die zeigen, dass es bei der konkreten Aufarbeitung und Bekampfung der sexuellen Gewalt immer wieder hakt. Im Marz trat Marie Collins aus der papstlichen Kinderschutzkommission aus - aus Frust uber die mangelnde Kooperationsbereitschaft der vatikanischen Behorden; Collins, der ein Priester als 13-Jahrige Gewalt antat, galt als mutige und kluge Stimme der Opfer in diesem Gremium. Die Betroffenen sind seitdem in der Kommission nicht mehr vertreten. Der italienische Enthullungsjournalist Emiliano Fittipaldi wirft der Glaubenskongregation, die fur die Ermittlung von Taten und die Bestrafung der Tater zustandig ist, vor, ungenugend mit den staatlichen Behorden zusammenzuarbeiten.

Und trotz aller Fortschritte in den USA, Irland, Belgien und Deutschland: In Italien, Spanien oder Lateinamerika wurden Missbrauchsfalle nach wie vor erst dann aufgearbeitet, wenn sie sich nicht mehr unter der Decke halten lie?en; immer noch wurden dort straffallig gewordene Priester einfach in die nachste Pfarrei strafversetzt, statt aus dem Verkehr gezogen.

Bislang waren dies Einzelereignisse - durch den tiefen Fall des Kurienkardinals Pell verdichten sie sich zu der Frage, wie ernst es die katholische Kirche mit der schonungslosen Aufarbeitung des Missbrauchs meint, die vor nunmehr sieben Jahren Franziskus' Vorganger Benedikt XVI. auf dem Hohepunkt der Missbrauchskrise versprochen hat. Eine Ruckkehr Pells ins alte Amt wurden die Missbrauchsopfer mit einigem Recht als Affront ansehen. Vor knapp einem Jahr sagte Papst Franziskus, er wurde sich zum Fall Pell au?ern, wenn die weltlichen Gerichte entschieden hatten. Dies konnte nun bald der Fall sein.

 

 

 

 

 




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