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Franziskus in Bedrangnis?

Katholisch
June 30, 2017

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Nun hat der Skandal um sexuellen Missbrauch endgultig auch die Fuhrungsetage im Vatikan erreicht: Die australische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kardinal George Pell, den vatikanischen Finanzchef und Berater von Papst Franziskus. Dem fruheren Erzbischof von Sydney wird sexueller Missbrauch vorgeworfen. Pell wies die Anschuldigungen am Donnerstag zuruck. Es ist das erste Mal, dass gegen einen Kurienkardinal wegen eines solchen Verdachts ermittelt wird. Zwar gab es auch fruher bereits Ermittlungen gegen vatikanische Kardinale. Dabei ging es aber stets um weniger schwerwiegende Delikte, oft hatten sie mit Geld zu tun.

Wie heikel die Angelegenheit fur den Vatikan ist, zeigte sich auch daran, dass das Presseamt zu ungewohnt fruher Stunde, um 8.30 Uhr, kurzfristig eine Pressekonferenz mit Pell anberaumte. Die offizielle Mitteilung war vorsichtig formuliert. Auffallig war, dass sich der Vatikan darin nicht gegen eine Vorverurteilung Pells wandte und auf die Unschuldsvermutung pochte. Stattdessen begnugte er sich damit, seinen "Respekt" vor dem australischen Justizsystem zu bekunden, Verdienste Pells im Kampf gegen sexuellen Missbrauch aufzuzahlen und seine Arbeit im Vatikan zu loben.

Als die franzosische Justiz im vergangenen Jahr gegen Lyons Kardinal Philippe Barbarin wegen Vertuschung sexuellen Missbrauchs ermittelte, reagierte der Papst selbst weniger zuruckhaltend. In einem Interview der Zeitung "La Croix" sagte er, ihm lagen keine Erkenntnisse uber etwaige Versaumnisse Barbarins vor. In Rom spekulieren Beobachter derweil daruber, wer hier wen gedrangt hat. War es Franziskus, der auf seinen Kardinal Druck ausgeubt hat, sein Amt ruhen zulassen und nach Australien zu reisen, um gro?eren Schaden von der katholischen Kirche abzuwenden. War es fur ihn womoglich sogar eine willkommene Gelegenheit Pell loszuwerden? Schlie?lich wird der Australier bereits seit langerem mit Missbrauchsvorwurfen konfrontiert; zudem ist er ein konservativer Hardliner und eckt im Vatikan mit seiner robusten Art haufig an.

Hatte der Papst beide Augen zugedruckt?

Oder war es doch Pell selbst, der den Papst um die Auszeit bat, um in Australien "seinen Namen reinzuwaschen"? Diesen Eindruck versuchte zumindest Pell selbst zu erwecken. Aufhorchen lie?, was der Sprecher des Vatikan, Greg Burke, mundlich zur schriftlichen Mitteilung hinzufugte: Der Kardinal werde vorerst nicht mehr an offentlichen Gottesdiensten im Vatikan teilnehmen. Die Vorwurfe gegen Pell konnten auch fur Franziskus unangenehm werden. Denn der Australier ist nicht nur Finanzchef des Vatikan. Als Mitglied des Kardinalsrates (K9) ist er zugleich ein enger Berater des Papstes. Bereits im vergangenen Herbst hatte der italienische Journalist Emiliano Fittipaldi in einem Buch den Vorwurf erhoben, der Papst propagiere zwar offentlich eine Null-Toleranz-Strategie gegenuber Missbrauchstatern, drucke jedoch in seinem personlichen Umfeld beide Augen zu. Als ein Beispiel nannte er Pell. Der Kardinal war schon im Fruhjahr 2016 in Rom von australischen Polizisten zu den Missbrauchsvorwurfen verhort worden

Der australische Kardinal George Pell: Es ist das erste Mal, dass gegen einen Kurienkardinal wegen eines Missbrauchsverdachts ermittelt wird.

Erst im Marz hatte der Rucktritt des letzten noch verbliebenen Missbrauchsopfers aus der papstlichen Kinderschutzkommission fur Negativschlagzeilen gesorgt. Die Irin Marie Collins begrundete ihren Schritt mit einer mangelnden Kooperationsbereitschaft der vatikanischen Behorden, vor allem der Glaubenskongregation. Medien werteten dies auch als Ruckschlag fur Franziskus, der die Kommission 2014 ins Leben gerufen hatte. Einen anderen Schatten, der auf der papstlichen Null-Toleranz-Strategie lag, hat Franziskus am Montag hingegen selbst beseitigt: Der Papst hob eine ursprunglich von ihm verfugte Strafmilderung fur einen italienischen Missbrauchstater auf. Das Bistum Cremona teilte am Montag die Entlassung des Geistlichen Mauro Inzoli aus dem Priesterstand mit.

Viele Feinde im Vatikan

Jenseits solcher spektakularen Falle geht der alltagliche Kampf gegen sexuellen Missbrauch Minderjahriger in der Weltkirche weiter. Vor allem der deutsche Jesuit Hans Zollner und das von ihm geleitete Kinderschutzzentrum an der Papstlichen Universitat Gregoriana in Rom schulen weltweit Priester und andere kirchliche Mitarbeiter in der Pravention und im Umgang mit sexuellem Missbrauch. Eine Herkulesaufgabe. Zumal das Thema in etlichen Bischofskonferenzen weiterhin Tabu ist, nicht nur in Afrika, auch in Osteuropa.

So mancher Kollege Pells im Vatikan wurde dem Australier keine Trane hinterher weinen, sollte er von seinem Amt zurucktreten. Denn der ehemalige Australian-Football-Spieler hat sich mit seinem forschen Auftreten in der Schaltzentrale der katholischen Kirche viele Feinde gemacht. Zum Sympathietrager taugt Pell als oberster Kontrolleur der Geldflusse hinter den vatikanischen Mauern auch schon von Amtswegen kaum. Franziskus hatte den Australier, der erfolgreich die Finanzen des Erzbistums Sydney saniert hatte, 2014 nach Rom geholt, um mehr Transparenz ins vatikanische Finanzdickicht zu bringen. Das ist ihm nach Ansicht von Beobachtern bislang nur teilweise gelungen. Doch in den nachsten Wochen und Monaten durften Pell andere Sorgen plagen.

 

 

 

 

 




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