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Befreiung Und Blamage

By Horst Herrmann
HPD
July 3, 2017

https://hpd.de/artikel/befreiung-und-blamage-14580

Erzbischof Muller nach einem Pontifikalamt in Rom mit Jugendlichen im Gesprach

Endlich hat er eingegriffen. Italienische Medien haben es unisono berichtet, und der Vatikan hat die Meldungen bestatigt: Papst Franziskus hat sich von einem Kardinal befreit, der ihm seit langem auf die Nerven gegangen ist, wie ich aus Rom hore. Im Ernst: Der Anstellungsvertrag mit dem Amtschef der Glaubenskongregation, dem deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Muller, lief gestern (2. Juli 2017) ab und wird nicht mehr verlangert. Muller, bisher einflussreichster Amtstrager, sitzt vor der Tur. Eine Blamage sondergleichen.

Nach menschlichem Ermessen ist Mullers Karriere damit zu Ende. Wahrscheinlich wird er in irgendeine Ecke abgeschoben. Franziskus hat ihm den Kardinalspurpur belassen, und ein Kardinal, vor allem ein unter vatikanischem Zeitma? so junger wie der noch nicht einmal 70jahrige Muller, mu? beschaftigt werden. Ende der Karriere? Muller kann abwarten, vielleicht hat der junge Mann eine Chance bei einem kunftigen Konklave. Furs Erste ist er weg vom Fenster.

Recht so. Es ging einfach nicht mehr. Muller hatte sich von Franziskus distanziert und dem Papst, ein sehr seltener Vorgang, offentlich widersprochen und dessen Verhalten wie Lehre gerugt.

Muller war nichts anderes als ein Nepot des Herrn Ratzinger. Und Ratzinger hat gewusst, warum er diesen Mann gefordert hat: Muller hatte schon fruh alles getan, um Ratzingers "Gesammelte Werke" und papstliche Gesten zu preisen, wahrhaftig eine muhselige Tatigkeit, denn Benedikt XVI., schwachster Papst seit Jahrzehnten, hat bekanntlich so gut wie nichts erreicht.

Ein "bornierter Scharfmacher" (Hans Kung) hatte es schlie?lich geschafft. Seit Jahren schon hatte Muller, ein recht unruhmlicher Bischof von Regensburg, jede Gelegenheit genutzt, sich bei seinem Landsmann Ratzinger einzuschleimen. Muller lobte Benedikt XVI., bei dem es nun wirklich nicht viel zu loben gab, so oft sich die Chance bot, er pries dessen theologische Qualitaten, sorgte sich um die Herausgabe von Ratzingers "Gesammelten Werken", richtete einen eigenen Forschungslehrstuhl ein, um dem Geheimnis des Ratzingerschen Denkens auf den Grund zu kommen. Nun ja, so sorgt man (mit dem Geld Anderer) fur die Zukunft einer Theologie, die von sich aus keine Kraft zum Uberleben hat.

Die anhangliche Affinitat scheint freilich die Wahrnehmung des Nepoten Muller erheblich beeintrachtigt zu haben. Kein Ruhmesblatt fur den Trager eines so wichtigen vatikanischen Amtes, kein Beleg fur Kompetenz. Ein Beispiel: Muller hat allen Ernstes in Deutschland eine "Pogromstimmung" gegenuber dem Katholizismus ausgemacht. Eine geschmacklose Wortwahl, eine Verantwortungslosigkeit gegenuber der deutschen Vergangenheit und Gegenwart, eine Verdrangung jeder Erinnerung an die realen Pogrome, die Mullers Kirche zu verantworten hat

Was hatte diesen Oberhirten wohl zu seinem verantwortungslosen Geschwatz getrieben? Ich nehme an, er wollte Geschichtsklitterungen in die richtigen Bahnen lenken: "Christenverfolgung" als neuestes Stichwort.

Aufgeklartes Denken hat aber keine Pogrome notig. Hat etwa Nietzsche den Staatsanwalt bemuht, steht Kant fur Scheiterhaufen, Lessing fur die Verfolgung Andersdenkender? Nein, derlei hat allein – eine historische Tatsache – das klerikale Lager zu verantworten.

Freilich: Privilegien machen immobil und arrogant. Wer ein Leben lang auf seinen "geistlichen" Beruf hingehatschelt worden ist, macht sich als Geisterfahrer gut, als ein Meister der wundergleichen Tauschungen, der allein auf der richtigen Spur zu fahren glaubt. Doch den Zugang zur Realitat hat er langst verloren. Muller pfiff im Wald. Unter dem Vorwand, den intaktesten Glauben zu vermitteln, baute dieser Kardinal Damme, ein Biberchen seltsamer Art, das ringsum die Baume des freien Denkens und Argumentierens fallte, um den eigenen Dammbau zu stabilisieren.

"Polarisierung" hie? das, was Muller verstand: Seitenhiebe auf alles, was seiner Karriere im Weg stand. Kein Wunder, dass sich die Betroffenen - von den Piusbrudern bis hin zu "Wir sind Kirche" – ausnahmsweise einmal einig waren uber diesen Mann, der an die Spitze seiner Uberlegungen meist Machterhalt und Machtgewinn gesetzt hat. Dafur nahm er in Kauf, dass der offentliche Religionsfriede gestort und Andersdenkenden noch nicht einmal ihre Menschenwurde gelassen wurde.

Ein Beispiel: "Der Gottesglaube fuhrt zusammen und baut auf, der Atheismus dagegen trennt die Menschen und fuhrt in den Abgrund." Und: "Wie die atheistischen Ideologien im 20. Jahrhundert, Kommunismus und Nationalsozialismus, zeigten, fuhrt die Leugnung Gottes zu Hass, Unfrieden, Streit und Zerstorung." Und: "Ohne den christlichen Glauben an Gott den Schopfer, Erloser und Versohner der Menschen gibt es kein neues Europa." Und weiter: "Sonst gelangen wir wieder dorthin, wohin uns die atheistischen Diktaturen das vergangenen Jahrhunderts gefuhrt haben."

Diese Aussagen sind nicht nur schamlos, sie sind historisch und aktuell fragwurdig. Unter anderem mutet die Behauptung, Gottesglaube verbinde, angesichts der enormen Zahl religioser Kriege und Konflikte in Vergangenheit und Gegenwart geradezu grotesk an. Erst recht argerlich ist die verkurzende Darstellung von Nationalsozialismus und Kommunismus als atheistische Ideologien. Nebenbei: Wer hat Hitler gewahlt und gestutzt? Die relativ wenigen Atheisten in Deutschland oder Millionen Kirchenglaubige? Versuchte Muller, die im Namen des Nationalsozialismus und Sowjetkommunismus begangenen Verbrechen dem Atheismus anzulasten, um hieraus die grundsatzliche Gefahrlichkeit atheistischer Weltanschauungen abzuleiten, der er den angeblich Frieden stiftenden Charakter des Glaubens entgegenhalt, ist dies eine Geschichtsluge.

Papst Franziskus hat zu Recht die Rei?leine gezogen. Ob damit alle Mullers im Vatikan gezugelt sind, ist eine andere Frage. Das Problem bleibt.

 

 

 

 

 




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