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Eine Anzeige und Ungereimtheiten bei Müllers Extra-Bezügen

By Von Robert Werner
Regensburg Digital
July 15, 2017

http://www.regensburg-digital.de/eine-anzeige-und-ungereimtheiten-bei-muellers-extra-bezuegen/14072017/

Was wird nun aus Gerhard Ludwig Müller?

Betrieb mit der von ihm erstellten Chronologie Müller Marketing: Generalvikar Michael Fuchs.

Bistumssprecher Clemens Neck rechtfertigte 2013 die diözesanen Überweisungen.

[The details of the replacement of Cardinal Gerhard Ludwig Mueller as prefect of the Roman Congregation for the Congregation of the Faith are still unclear.]

Die näheren Umstände der Ablösung von Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der römischen Glaubenskongregation sind weiter ungeklärt. Nun wurde bekannt, dass gegen Müller Ende 2015 in Rom eine Anzeige wegen Vertuschung von sexuellem Missbrauch erstattet wurde. Nicht nur in Regensburg gehen zudem die Fragen um, was aus ihm wird bzw. ob und mit welcher Begründung Kardinal Müller weiterhin Bezüge von Diözese Regensburg erhalten wird. Die Pressestelle des bischöflichen Ordinariats gibt dazu nichts preis.

Die Ablösung von Kardinal Müller als Präfekt der Glaubenskongregation gilt als beispiellos. Von einem „Erdbeben im Vatikan“ war die Rede. In diesem Zusammenhang dürfte eine Anzeige gegen Müller wegen Vertuschung eines sexuellen Missbrauchs nicht unbedeutend gewesen sein. Diese wurde Ende 2015 beim Kirchenanwalt (Promotor Iustitiae) des vatikanischen Strafgerichts eingereicht. In der viereinhalb DIN-A4-Seiten langen, penibel ausgearbeiteten Anzeige, die unserer Redaktion vorliegt, wird Müller beschuldigt, im Zusammenhang der Wiedereinsetzung des Geistlichen Peter K. seine Aufsichtspflicht verletzt zu haben.

Der Fall Riekofen

Demnach habe Bischof Müller, seit 2002 im Amt, zugelassen, dass Peter K., der bereits im September 2000 vom Amtsgericht Viechtach wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, entgegen anders lautender Bewährungsauflagen in Riekofen mit Jugendlichen gearbeitet habe. Dabei kam es zu einer Vielzahl weiterer sexueller Übergriffe. Der Geistliche K. wurde deshalb in der Folge vom Landgericht Regensburg im Jahre 2008 erneut wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt: zu einer dreijährigen Haftstrafe und Einweisung in eine Psychiatrie.

Müller bestritt in der langjährigen öffentlichen Auseinandersetzung um den mehrfachen Wiederholungstäter K., die übrigens am Rande auch zu einer gerichtlichen gegen regensburg-digital führte, jedwedes Fehlverhalten seines Ordinariats und lehnte eine persönliche Verantwortung ab. Müller im Jahre 2007: „Die Verantwortung für die Tat trägt der Täter“.

Wer erhob Anzeige gegen Müller?

Die Anzeige gegen Gerhard Ludwig Müller von 2015 stammt aus dem Umfeld des Aktionskreises Regensburg (AKR). Dies bestätigte gegenüber regensburg-digital ein Mitglied des Aktionskreises – einer Vereinigung von Priestern, „laisierten“ Priestern und „Laien“ der Diözese, die laut Selbstdarstellung seit 1969 „im Geist des II. Vatikanischen Konzils“ nötige Reformen anmahnen und in diesem Zusammenhang Müller scharf kritisierten. 

Bischof Müller seinerseits bekämpfte den AKR, seine Mitglieder und sogar sympathisierende Geistliche unerbittlich. Teils mit der Hilfe der uniformierten Staatsgewalt, mit kirchenrechtlich begründeten Strafen oder fürstbischöflichem Gebaren nach dem Motto: „Es genügt, wenn ich das sage!“

Ob und mit welchem Ergebnis die Anzeige des AKR vom zuständigen kirchlichen Ankläger, dem von Papst Franziskus im September 2014 berufenen amerikanischen Jesuiten Pater Robert J. Geisinger, bearbeitet wurde, ist unbekannt. Da Geisinger laut Recherchen der amerikanischen Zeitung BOSTEN GLOBE selber sexuelle Übergriffe vertuscht haben soll und das zuständige Gericht noch dazu der Glaubenskongregation des angezeigten Präfekten unterstellt war, dürfte sie niedergeschlagen worden sein. Eine Anfrage unserer Redaktion beim Promotor Iustitiae Geisinger in Rom blieb unbeantwortet.

Zweifel an Müllers Kompetenz

Bereits 2012, als der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller unter Papst Benedikt XVI im zum Präfekten der römischen Glaubenskongregation aufstieg, wurden Zweifel ob seiner Qualifikationen laut. Diese kamen nicht von ungefähr.

Schon in der Anfangszeit als Bischof von Regensburg geriet Bischof Müller in der bereits erwähnten Causa Peter K. alsbald schwer unter Druck. Auch dass die Aufklärung der sexuellen und gewalttätigen Übergriffe in den Einrichtungen der Domspatzen (von anderen kirchlichen Einrichtungen gar nicht zu reden) eher verhindert als konsequent betrieben worden ist, dürfte an seinen Vorgaben und Entscheidungen gelegen haben. In Rom war Müller als Glaubenspräfekt aber dann ebenso für die Aufklärung und angemessene Ahndung von sexuellem Missbrauch und Übergriffen durch geistliche Täter zuständig. Also auch für die Vorgänge im Bistum Regensburg.

Auch am Wirken Müllers als Präfekt gab es Kritik und grundlegende Zweifel. Der nun geschasste Glaubenspräfekt musste sich etwa öffentlich, und ohne dass dem irgendeine Konsequenz gefolgt wäre, nachsagen lassen, dass in der von ihm geleiteten Glaubenskongregation ein Missbrauchstäter sitze. Im März 2017 verließ Mary Collins, die selbst von einem irischen Priester missbraucht worden war, die päpstliche Kinderschutzkommission mit der Begründung, Kardinal Müller lege einen „schändlichen Mangel an Zusammenarbeit“ an den Tag. So berichtete es DER SPIEGEL anlässlich Müllers Ablösung. 

Müller als Vater der Aufklärung?

Nachdem das mit ehemaligen Domspatzen und dem jetzigen Bischof Rudolf Voderholzer besetzte Aufarbeitungsgremium im Oktober 2016 seine weithin positiv gewürdigten Verhandlungsergebnisse vorgestellt hatte, glaubte Müller offensichtlich, bei dieser Gelegenheit sein Image aufbessern zu können.

In diesem Sinne meldete sich der Kardinal Ende 2016 mit einem Interview in der ihm stets gewogenen Passauer Neuen Presse zu Wort und hob seine eigenen vorgeblichen Verdienste bei der Aufklärung der Übergriffe bei den Domspatzen hervor: Er habe als Regensburger Bischof „den Aufklärungsprozess initiiert und strukturiert“. Als Beleg für diese, gelinde gesagt, so realitätsferne wie eitle Eigensicht verwies er auf eine von Generalvikar Michael Fuchs eigens erstellte und von Bischof Voderholzer zumindest akzeptierte Chronologie der diözesanen Aufarbeitung der „Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und Körperverletzung“. 

Tatsächlich, so das Ergebnis einer nüchternen Betrachtung der letzten Jahre, wurde der noch andauernde Aufklärungs- und Aufarbeitungsprozess der Übergriffe (nicht nur der Vorwürfe!) in Regensburg erst möglich, als der amtierende Bischof Rudolf Voderholzer die Sackgasse seines Vorgänger endlich verlassen und sich auf den weitgehend von Betroffenen gestalteten Prozess eingelassen hat. Bis der seit Januar 2013 amtierende Bischof Voderholzer diese Umkehr endlich ausführte, waren mehr als zwei vergeudete Jahre ins Land gezogen.

Nebenbei: Die Aufklärung von ruchbar gewordenen Übergriffe in anderen kirchlichen Einrichtungen betreibt Bischof Voderholzer offenbar nur kleinlaut, für diese „Opfer zweiter Klasse“ hat er keinen Anwalt beauftragt und noch nicht einmal einen anständigen Aufruf an die Betroffenen zustande gebracht. 

Seit März 2010, als die öffentlich massiv beklagten und enthüllten Übergriffe in kirchlichen Einrichtungen nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden konnten, sind sage und schreibe über sieben Jahre vergangen. Nächste Woche stellt der von Bischof Voderholzer im April 2015 beauftragte Rechtsanwalt Ulrich Weber die Abschlussergebnisse seiner über zwei Jahre andauernden Aufklärungsarbeit in Sachen Domspatzen vor. Die Qualität von Webers Bericht wird sich unter anderem daran messen lassen, wie detailliert und schonungslos er mit dem Verhalten der Regensburger Bischöfe umgehen wird.

Müllers diözesane Bezüge

Was geschieht mit dem Kurienkardinal Müller ohne Amt? Ob Papst Franziskus dem deutschen Kardinal, der im Dezember „erst“ 70 Jahre alt wird, ein anderes Amt an der römischen Kurie oder ein Bistum zuweisen wird, ist derzeit nicht absehbar. Kardinal Müller hingegen zeigte sich gelassen und sagte kurz nach seinem Ausscheiden, er werde als Wissenschaftler und Seelsorger in Rom weiterarbeiten.

Und wer kommt zukünftig für Müllers Bezüge auf? Nach Angaben des Regensburger Bistumssprechers Clemens Neck bezog Gerhard Ludwig Müller (geb. 31.1.2.1947) als „emeritierter Bischof“ und Kurienkardinal schon Anfang Januar 2013 eine „Bischofspension“, die ihm seit dem gesetzlich bestimmten Renteneintrittsalter von 65 Jahren zustehe. So steht es in einem Bericht der Mittelbayerischen Zeitung vom 8. Januar 2013.

Rund 7.000 Euro Bischofspension gehen demnach jeden Monat vom Regensburger Bistum an Müller. Wobei das römische Kardinalsgehalt von rund 3.000 Euro nicht aufgestockt, sondern von der Müller angeblich zustehenden Pension bereits abgezogen sei, so Neck. Folgt man dieser Aussage, ergäbe sich eine Bischofspension von 10.000 Euro für Müller – mehr als das Brutto-Monatsgehalt des aktiven Bischofs.

In AKR-Kreisen hingegen geht man davon, dass Bischof Müller schon bald nach seiner Abrufung nach Rom, also schon im Sommer 2012, finanzielle Zuwendungen aus dem Regensburger Bistum bezogen habe, jedoch ohne eine gesetzliche Grundlage.

Die Überweisungen an Kardinal Müller nach Rom sind nach Lage der Dinge vermutlich aus der „Emeritenanstalt“, der Rentenkasse für Kleriker der Diözese Regensburg, geflossen.

Freistaat Bayern besoldet Bischöfe und höhere Kleriker

Der Freistaat Bayern muss gemäß dem Konkordat unter anderem für die Bezüge von amtierenden Bischöfen und anderen höheren Klerikern aufkommen. Für den Regensburger Bischof ist ein Grundgehalt der Besoldungsgruppe B 6 vorgesehen, die derzeit ein Brutto-Monatsgehalt von etwa 9.000 Euro ausmacht und weitere Zulagen beinhaltet. Das Ruhegehalt beträgt etwa 70 Prozent des Grundgehalts – also rund 6.300 Euro und somit weitaus weniger als der Bistumssprecher Neck 2013 vorgab. Bei der Pension übernimmt der Freistaat Bayern 30 Prozent (bezogen auf das Grundgehalt).

Seit der Änderung des „Gesetzes zur Ausführung konkordats- und staatskirchenvertraglicher Verpflichtungen Bayerns“ vom Dezember 2012 zahlt der Freistaat diese Bezüge nicht mehr direkt an die Bischöfe sondern pauschal in einen bayerischen Gemeinschaftstopf, der dann anteilig an die Diözesen verteilt wird. Laut den Berechnungen der von der Giordano-Bruno-Stiftung gegründeten Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland belief sich die monatliche Summe dafür im Jahr 2016 auf über 771.000 Euro. Altersbezüge und Zulagen nicht mitgerechnet.

Gab es eine Lex Müller?

Zum Zeitpunkt als Müller zum Kardinal aufstieg, gewährte die Regensburger Emeritenanstalt nur den Priestern der Diözese Bezüge, die sich vorübergehend oder dauerhaft im Ruhestand befanden. Regulär emeritierte Bischöfe und Dignitäre hingegen bezogen ihr Ruhegehalt damals, bis zur eben genannten Gesetzesänderung von Ende 2012, vom Freistaat Bayern. Mit der Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Konkordats überarbeitete man in Regensburg rückwirkend zum 1. Januar 2013 neben der Priesterbesoldungsordnung (die schon begrifflich nicht auf Bischof Müller anzuwenden ist) auch die Satzung der Emeritenanstalt. Dies geschah per Erlass durch Müllers Nachfolger Bischof Rudolf Voderholzer vom 11. Dezember 2013.

In der aktuellen, offenbar just auf die Situation von Gerhard Ludwig Müller zugeschnittenen Satzung heißt es unter § 7, dass die Mitgliedschaft des Diözesanbischofs in der Emeritenanstalt „bei Berufung in den Dienst des Apostolischen Stuhles“ ausnahmsweise nicht ende.

Die Satzung von 2013 begründet erstmals auch die Altersbezüge der Bischöfe. Unter § 9 der Satzung heißt es:

„Der Diözesanbischof und der Weihbischof, dessen Amtsverzicht vom Apostolischen Stuhl angenommen ist, sowie der in den dauernden Ruhestand versetzte Priester erhält lebenslänglich Ruhegehalt.“

Da Gerhard Ludwig Müller den Papst aber bekanntlich nicht um einen Amtsverzicht gebeten hat, sind die in den letzten fünf Jahren geleisteten Bezüge Müllers mit der Satzung der Regensburger Emeritenanstalt nicht in Einklang zu bringen. Die Anfrage, auf welcher gesetzlichen Grundlage das Bistum Regensburg ein Ruhegehalt an den nicht ruhenden Kardinal Müller gezahlt habe, hat die bischöfliche Pressestelle nicht beantwortet.

Der Sprecher des Kultusministeriums teilte auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass Gerhard Kardinal Müller „aus den Haushaltsansätzen des Kultusreferats keine Leistung erhalten“ habe bzw. werde: weder Bezüge während seiner Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation noch Versorgungsleistungen nach seiner Amtszeit. Prof. Müller habe 2002 einen Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenstatus als Professor gestellt.

Kardinalsünde Geldgier?

Die Änderung des „Gesetzes zur Ausführung konkordats- und staatskirchenvertraglicher Verpflichtungen Bayerns“ vom Dezember 2012 wurde schon Jahre zuvor propagandistisch vorbereitet. Gerade Gerhard Ludwig Müller machte sich dafür stark, dass er seine Bezüge nicht mehr direkt vom Freistaat erhält. So etwa bereits 2010, damals noch streitbarer Bischof von Regensburg, als er in einem SZ-Interview über seinen Bischofsgehalt realitätsfern irrlichterte: „Es sieht so aus, als würden wir vom Staat bezahlt.“

Rechnet man die besagten 7.000 Euro, die Bischof Müller in den letzten fünf Jahren pro Monat vom Bistum Regensburger erhalten haben soll, zusammen, ergibt die stolze Summe von 420.000 Euro. Dieses Einkommen stand Gerhard Ludwig Müller zusätzlich zu den römischen Monatsbezügen von rund 3.000 Euro (für fünf Jahre: 180.000 Euro) angeblich steuerfrei zur Verfügung.

Was treibt ein alleinstehender Herr, der kritischen Pfarrern zur Strafte das Gehalt kürzte und selber keine Miete und Haushaltshilfe bezahlen muss, mit so viel Geld? Es sieht so aus, als ob es Kardinal Müller wie einem Nimmersatt egal ist, wo die fürstliche Vergütung herkommt und ob sie von irgendeiner Satzung gedeckt ist oder nicht. Hauptsache überreichlich. Vielleicht hat sich Papst Franziskus auch wegen der Kardinalsünde Geldgier von Müller getrennt. Welch eine schöne Vorstellung.




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