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Kardinal Muller Tritt Nach

Spiegal
July 19, 2017

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/kardinal-mueller-ueber-missbrauch-seine-entlassung-und-papst-franziskus-a-1158621.html

Kardinal Gerhard Ludwig in seinem Buro in Rom

Funf Jahre lang war der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Muller Chef der Glaubenskongregation im Vatikan. Punktlich zum Ablauf seiner Amtszeit entlie? ihn der Papst Anfang Juli aus seinen Diensten. Warum, wurde vom Vatikan nicht erklart. Politische und theologische Differenzen zwischen Franziskus und dem konservativen Muller gelten aber als Hauptgrund.

Muller hatte den Papst in verschiedenen Punkten kritisiert, etwa im Zusammenhang mit dem postsynodalen papstlichen Schreiben "Amoris Laetitia" ("Die Freude der Liebe"), in dem der Papst die Kommunion fur wiederverheiratete Geschiedene unter gewissen Bedingungen moglich macht.

Muller gibt vor, die Grunde fur die Nichtverlangerung seiner Amtszeit selbst nicht zu kennen. Was die Entscheidung bedeute, konne sich aber "jeder denken", sagte er jetzt im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Er sei von Papst Benedikt XVI. nur fur dieses Amt nach Rom berufen worden. "Davon kann man normalerweise ausgehen, dass das bis zum 75. Lebensjahr reicht. Aber es ist jetzt so verfugt worden. Fur mich bricht nicht die Welt zusammen. Ich kann weiterhin vieles tun fur die Kirche."

Zwar seien "von interessierten Seiten" angebliche Spannungen zwischen ihm und Franziskus ins Gerede gebracht worden. "Der Papst hat mir jedoch immer wieder versichert, dass er diesen Geruchten keinen Glauben schenkt und mir voll vertraut."

Kritik am Pontifex halt Muller dennoch fur konstruktiv. Manche pflegten eine "scheinheilige Papstdevotion" nach dem Motto: "Der Heilige Vater hat eine Idee, und wir folgen dem bedingungslos, und alle sind voller Bewunderung." Der Papst, so Muller, sei aber auch nur ein Mensch: "Das hei?t, dass nicht alles, was er macht und sagt, von vornherein schon vollkommen und unuberbietbar ist."

Jeder Katholik, besonders jeder Bischof und jeder Kardinal, habe ein positives und konstruktives Verhaltnis zum Papst, so der Kardinal. "Aber das ist alles andere als hofisches Gehabe und subalternes Getue, gegen das sich Papst Franziskus immer ausgesprochen hat."

Bei den Glaubigen wunsche er sich weniger Papst-Kult. "Da sollte auch kein Personenkult entstehen und ein Papst-zum-Anfassen-Tourismus. Das ist im Zeitalter der Massenmedien etwas gefahrlich, dass die Leute jetzt nur dem Papst zujubeln oder dass man aus Sensationslust nach Rom fahrt. Um dann sagen zu konnen, ich habe den Papst gesehen in der ersten Reihe ganz nah bei ihm."

"Priester a priori des Missbrauchs verdachtigt"

Wahrend seiner Zeit als Bischof von Regensburg (2002 bis 2012) soll der Kardinal die Aufklarung des Missbrauchsskandals bei den Domspatzen verzogert haben. Er hat das stets bestritten. Mit der Veroffentlichung des Abschlussberichts zu dem Skandal wurden erneut Vorwurfe laut, die der Kardinal offenbar als Generalangriff auf die katholische Kirche interpretiert. "Es ist offensichtlich, dass die katholische Kirche bei dem Thema harter angegangen wird, dass Priester a priori verdachtigt werden", sagte der 69-Jahrige in Rom.

"Es gibt Geistliche - Gott sei es geklagt - die solche Verbrechen begangen haben. Aber deshalb kann man nicht die anderen, nur weil sie auch Priester sind, kollektiv verdachtigen. Prozentual gesehen ist das mit Blick auf die Gesamtzahl der Geistlichen in der Welt sogar weniger als bei vergleichbaren padagogischen Berufsgruppen - was die Straftat naturlich in keiner Weise entschuldigt und das Leiden der Opfer mindert", sagte er.

Kardinal Gerhard Ludwig Muller wahrend eines Gottesdienstes im Dom in Mainz

Muller beruft sich auf eine von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie des forensischen Psychiaters Norbert Leygraf von der Universitat Duisburg. Demnach wurde Padophilie nur bei neun von insgesamt 78 wegen Vorwurfen zu Ubergriffen begutachteten Geistlichen diagnostiziert. Der Anteil der Priester mit einer sexuellen Praferenzstorung an der gesamten Priesterschaft weise keinen bedeutsamen Unterschied zum Anteil der davon Betroffenen in der deutschen Allgemeinbevolkerung auf. Die Frage, ob sexuelle Ubergriffe durch katholische Geistliche uberproportional haufig auftreten oder aufgetreten sind, lasse sich allerdings "weder mithilfe der umfangreichen US-amerikanischen Studien noch auf Grundlage der vorliegenden Studie beantworten", schrieben die Verfasser im Jahr 2012.

Sein unglucklicher Umgang mit den Missbrauchsopfern, der fehlende Dialog, wurde Kardinal Muller immer wieder vorgeworfen. "Manche denken, sie schreiben einen Brief und bekommen gleich eine Antwort mit dem Urteil uber einen Angeklagten", sagte er dazu. "Das ist einfach nicht moglich, weil der Prozessablauf eine Struktur hat und nach objektiven Kriterien durchgefuhrt werden muss."

Zusatzlich zu seiner Verantwortung als Regensburger Bischof war Muller als Leiter der Glaubenskongregation im Vatikan fur die Aufklarung von Missbrauchsfallen weltweit zustandig. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, dass er auch als Prafekt in Rom die Aufarbeitung solcher Falle behindert habe. "Es trifft einfach nicht zu, dass wir in irgendeiner Weise bei der Verfolgung solcher Straftaten nachlassig gewesen sind oder aus mangelndem Arbeitseinsatz den Abschluss eines Prozesses verschleppt hatten", sagt er. "Das genaue Gegenteil ist der Fall." Die Kongregation habe trotz mancher Einmischungsversuche immer die Nulltoleranz-Linie vertreten.

Gegenuber katholischen Geistlichen gebe es wegen des Zolibats gro?e Vorurteile, so Muller. "Da wird gedacht, wenn jemand freiwillig enthaltsam lebt, muss er irgendwo seine Gefuhle loswerden. Selbst wenn das stimmen wurde, wurde ein normaler Mensch die Beziehung zu einer Frau suchen und nicht zu einem Kind."

 

 

 

 

 




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