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"RENOVIERUNG, Klimaanlage - Alles Auf Eigene Kosten!"

T Online
July 19, 2017

http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_81691814/entmachteter-kardinal-mueller-fuehlt-sich-ungerecht-behandelt.html

Es lauft derzeit nicht gut fur Kardinal Gerhard Ludwig Muller, lange einer der wichtigsten deutschen Kirchenmanner. Erst entmachtet ihn Papst Franziskus im Vatikan. Dann kommen Vorwurfe im Missbrauchs-Skandal um die Regensburger Domspatzen dazu. Ein Gesprach mit einem Mann, der sich ungerecht behandelt fuhlt.

Es ist Anfang Juli in Rom und gluhend hei?. Die Klimaanlage brummt. Kardinal Gerhard Ludwig Muller sitzt vor einer gro?en Bucherwand in seiner Wohnung unweit des Vatikans und deutet auf die Anlage. "Ich bin drei Mal umgezogen, bis ich hier in die Wohnung einziehen konnte. Dann die Renovierung, die Klimaanlage, das alles auf eigene Kosten", sagt er. Drei Mal umziehen fur einen der wichtigsten Posten der katholischen Kirche - den er jetzt allerdings verloren hat.

"Mehr will ich dazu nicht sagen"

Der ehemalige Regensburger Bischof war funf Jahre lang Chef der Glaubenskongregation im Vatikan und gehorte zu den machtigsten Mannern im Kirchenstaat. Bis Papst Franziskus seine Amtszeit Anfang Juli uberraschend nicht verlangerte. "Ich bin alleine fur dieses Amt nach Rom gegangen", sagt der 69-Jahrige. "Es ist nicht so wie wenn man bei einer Regierung berufen wird oder bei internationalen Organisationen, wo alles bezahlt wird. Da hat sich niemand um mich gekummert." Und: "Wir Deutschen kriegen die Wohnungen, in die man am meisten investieren muss. Mehr will ich dazu nicht sagen."

Das Amt sei ihm "auf den Leib" geschnitten gewesen. Warum also die Entscheidung des Papstes, die von den meisten als Rauswurf interpretiert wurde? "Von interessierten Seiten wurden angebliche Spannungen ins Gerede gebracht. Der Papst hat mir jedoch immer wieder versichert, dass er diesen Geruchten keinen Glauben schenkt und mir voll vertraut", sagt Muller. Aber genaue Grunde kenne er nicht.

Muller sieht sich als Aufklarer

Er sehe sich nicht als Gegenspieler des Papstes oder als "Scharfmacher", als der er immer wieder dargestellt wird. "Ich glaube, ich war in meinem Leben nie konservativ oder ein Hardliner. Das geistige und religiose Leben in konservativ und progressiv einzuteilen ist ein Armutszeugnis und verrat nur die Aggression derer, die lieber andere diskriminieren, statt sich mit ihnen argumentativ auseinander zu setzen."

Doch irgendwas muss schief gelaufen sein. Die Glaubenskongregation ist unter anderem fur die Aufklarung von Missbrauchsfallen zustandig. Da gab es immer wieder Kritik, dass Muller diese nicht genug vorantrieb oder gar behinderte. Darauf angesprochen wird der sonst so gefasste Kardinal plotzlich lauter und emotionaler. "Es trifft einfach nicht zu, dass wir in irgendeiner Weise bei der Verfolgung solcher Straftaten nachlassig gewesen sind oder aus mangelndem Arbeitseinsatz den Abschluss eines Prozesses verschleppt hatten", sagt er. "Das genaue Gegenteil ist der Fall." Auch gegen Widerstande habe er eine Null-Toleranz-Linie gefahren.

Missbrauchsskandal bei den Domspatzen

Es sei offensichtlich, dass die katholische Kirche bei dem Thema Missbrauch harter angegangen werde als andere Institutionen. "Es gibt Geistliche - Gott sei es geklagt - die solche Verbrechen begangen haben. Aber deshalb kann man nicht die anderen, nur weil sie auch Priester sind, kollektiv verdachtigen." Die Glaubenskongregation brauche mehr Mitarbeiter, um die Falle schneller bearbeiten zu konnen.

Der Missbrauchs-Skandal bei den Regensburger Domspatzen, der wahrend Mullers Amtszeit als Bischof in der bayerischen Stadt bekannt wurde, holte ihn erst diese Woche wieder ein: Jahrzehntelang wurden mindestens 547 Chorknaben in einer Vielzahl von Fallen Opfer von korperlicher oder sexueller Gewalt, wie aus einem Abschlussbericht hervorgeht, der Dienstag veroffentlicht wurde. Muller galten Vorwurfe, er habe nicht klar genug kommuniziert, Opfer nicht sprechen lassen, was er so nicht stehen lassen mochte. Er habe die Aufklarung vorangetrieben, sagt Muller, er verstehe nicht, wieso da von Behinderung die Rede sei.

"Nordlander immer Fremdkorper" im Vatikan?

Der Zwei-Meter-Mann spricht oft von Dekreten, von Prozessen, von Struktur, von Ordnung, weniger von direkter Kommunikation mit den Opfern. "Manche denken, sie schreiben einen Brief und bekommen gleich eine Antwort mit dem Urteil uber einen Angeklagten. Das ist einfach nicht moglich, weil der Prozessablauf eine Struktur hat und nach objektiven Kriterien durchgefuhrt werden muss."

Kardinal Muller in seiner Wohnung unweit des Vatikans. (Quelle: dpa/Lena Klimkeit)Kardinal Muller sah sich als unbequemer Berater des Papstes - nun wurde er abberufen. (Quelle: Lena Klimkeit/dpa)

Seine Korrektheit kam offenbar auch nicht bei jedem in der Kurie gut an. Der damalige deutsche Papst Benedikt XVI., zuvor ebenfalls Prafekt der Glaubenskongregation, holte ihn 2012 nach Rom. Am Anfang sei ihm oft gesagt worden: "Typisch deutscher Theologieprofessor, der nicht versteht, dass man auch mal nach Bedarf 2 + 2 = 5 sein lassen kann", erzahlt Muller. "Ich bin nicht in Rom aufgewachsen, ich bin kein Kurialer, darauf lege ich gro?en Wert. Ich bin ein Bischof, der von au?en reingekommen ist. Vielleicht wird man als Nordlander immer ein Fremdkorper im System sein."

Muller: ein unbequemer Berater

Seit dem Amtsantritt von Franziskus weht ein anderer Wind im Vatikan, ein lateinamerikanischer. Der Kardinal wahlt seine Worte in dem zwei Stunden langen Gesprach merklich mit Bedacht, wenn es um Franziskus geht. Er verliert kein schlechtes Wort uber den Argentinier, sagt, er habe zum Pontifex eine Beziehung, die "von Anfang an, glaube ich, gut" gewesen sei.

Was er aber von einigen Personalentscheidungen des Papstes halt, lasst er in dem Gesprach immer wieder durchblicken. "Nur mit qualifizierten Mitarbeitern kann das eigene Werk gut gelingen", ist sich Muller sicher. "Fruher hat man immer gesagt, ein guter Herrscher hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass er die besten, auch unbequemen Berater sich an die Seite geholt hat, nicht die Opportunisten und Mediokritaten, die schon zu allen Zeiten zur Macht hindrangten."

Grundlegende Reformen lehnt er ab

Zum Kreis der unbequemen Berater zahlt sich der geburtige Mainzer wohl auch selbst. Denn von "hofischem Gehabe" am Vatikan oder "Karrieristen, die durch Schmeicheleien versuchen, irgendwelche Postchen zu bekommen", halt Muller nichts. "Lieber einen Nachteil in Kauf nehmen als das Gewissen zu verbiegen", sagt er. Muller lehnt grundlegende Reformen in der katholischen Kirche ab, er gilt als einer der fuhrenden Kritiker des Papst-Schreibens uber Familie und Liebe, "Amoris Laetitia". Darin hatte der Pontifex 2016 angeregt, dass es geschiedenen und wiederverheirateten Menschen unter gewissen Umstanden erlaubt sein soll, an der Kommunion teilzunehmen.

Der ehemalige Dogmatikprofessor aber ist gegen die Zulassung zivil wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten. Ist daran auch nicht zu rutteln, wenn ein Partner hintergangen und geschlagen wurde, sich scheiden lasst, neu verliebt, heiratet - und im tiefen katholischen Glauben bleibt? "Gott ist das Ma? der Realitat", sagt Muller strikt. "Und nicht einfach das, was faktisch ist. Was tatsachlich besteht, ist nicht automatisch gut."

Papst Benedikt "enttauscht" uber Abberufung

Auch von der "Ehe fur alle", wie sie der Bundestag kurzlich beschlossen hat, halt er nichts. Sie sei ein "Etikettenschwindel". "Personen gleichen Geschlechts konnen keine Ehe eingehen, weil dem Begriff nach die Beziehung von Mann und Frau fur die Ehe wesentlich ist."

Wie geht es nun mit ihm weiter? Einen konkreten Posten hat der Kardinal nun nicht mehr. Eine Ruckkehr nach Deutschland sei keine Option. "Was soll ich jetzt in Deutschland, da habe ich alles aufgegeben fur den Dienst an der Weltkirche in Rom." Traurig sei es schon, dass nun kein Deutscher mehr in einem so hohen Kurienamt sei. Das sehe der emeritierte Papst Benedikt genauso: Auch der sei "enttauscht".

 

 

 

 

 




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