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Vom Scheiterhaufen Zum Schweigegebo

Domradio
July 22, 2017

https://www.domradio.de/themen/reformen/2017-07-21/vor-475-jahre-wurde-die-kongregation-der-inquisition-gegruendet?page=5

Die Kongregation der Inquisition ist die alteste Behorde des Heiligen Stuhls. Seit ihrer Grundung vor 475 Jahren hat sie eine wechselvolle Geschichte und standige Weiterentwicklung ihrer Aufgaben erlebt.

Sie ist die alteste der neun vatikanischen Kongregationen. Am 21. Juli 1542 unter Papst Paul III. (1534-49) als "Kongregation der Romischen und Universalen Inquisition" gegrundet, war sie lange Zeit die oberste, aber auch die am meisten gefurchtete Behorde des Heiligen Stuhls.

Nach der Reformation sollte sie den Glauben rein erhalten, die Kirche vor Irrlehren schutzen, gegen Haresien verteidigen, Glaubensversto?e untersuchen und gegebenenfalls bestrafen. Eine Aufgabe, die sich in den folgenden Jahrhunderten weiterentwickelte. Die Umbenennung zum "Heiligen Offizium" 1908 sollte der Behorde ihren Schrecken nehmen. Unter Paul VI. wurde sie am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zur "Glaubenskongregation" - mit deutlich verandertem Profil

Mit der Apostolischen Konstitution "Licet ab initio" bildete Paul III. 1542 eine Kommission aus sechs Kardinalen, unter ihnen Giampietro Carafa, der spatere Paul IV. Sie war zunachst eher als ad-hoc-Ma?nahme gegen das Vordringen des Protestantismus in Italien gedacht, bevor sie ihren Radius nach Norden ausweitete. Ein Jahr zuvor war das katholisch-protestantische Regensburger Religionsgesprach gescheitert. Es sollte mit friedlichen Mitteln nochmals den endgultigen Bruch verhindern. Aber ein Bruckenschlag schien nicht mehr moglich, die Kirchenspaltung irreparabel.

Kampf gegen Irrlehre

Auch wenn im Grundungsdokument noch nicht eigens vom Index die Rede war, wurde das Vorgehen gegen gefahrliche Bucher bald zu einem wichtigen Element im Kampf gegen Irrlehren. 1543 verbot die Kongregation die Einfuhr protestantischer Bucher. Der erste Index der fur Katholiken verbotenen Bucher wurde 1559 von Paul IV. veroffentlicht.

Unter diesem Papst wurde die Romische Inquisition, die zu Beginn eher milde agiert hatte, strenger. Vom Glaubenstribunal wurde es auch zum Sittentribunal, das gegen moralische Verfehlungen einschritt und haufiger auch die Todesstrafe verhangte. Insgesamt aber urteilte die Romische Inquisition moderater als staatliche Tribunale ihrer Zeit.

Reformkomission benannte Ubel der Kirche

Paul III. hatte freilich nicht nur auf Abwehr gesetzt, er verfolgte auf dem Weg der Kirchenreform noch weitere Ma?nahmen. Zwar war er noch ein Kind der Renaissance und protegierte in einem unverhohlenen Nepotismus seine Familie. Aber er gehorte auch bereits zu den Wegbereitern der katholischen Reform. Er veranderte das Kardinalskollegium, indem er anstelle von Renaissance-Fursten verstarkt fromme, gelehrte und reformbemuhte Kirchenmanner berief.

1536 errichtete er eine Reformkommission, die in einer Denkschrift freimutig Ubel der Kirche benannte.

Ebenfalls 1536 bemuhte der Papst sich - vergeblich - um die Einberufung eines Konzils nach Mantua und Vicenza. 1542, fast gleichzeitig mit der Kongregationsgrundung, unternahm er einen zweiten Anlauf. Diesmal lud er nach Trient ein; aber erneut ohne Erfolg. Das Konzil trat dort erst drei Jahre spater zusammen. Es beriet uber Kirchenlehre und Glaubensfragen und wandte sich gegen Missstande auch an der Kirchenspitze. Und es legte in seinem mehrfach unterbrochenen Verlauf sowie in der spateren Umsetzung die Grundlagen fur den kirchlichen Reform- und Erneuerungsprozess.

Abschaffung des Index

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) erhielt die einstige Inquisitions-Kongregation nicht nur ihren neuen Namen, sondern auch neue Kompetenzen und eine neue Struktur. Die Kirche setzt zum Schutz des Glaubens seither weniger auf die Abwehr von Haresien, auf Verbote und Schutzmauern gegen Irrlehren. Den Glauben bewahrt man am besten, indem man ihn positiv darlegt, begrundet und erklart, lautet die Linie. So wurde 1966/67 der Index abgeschafft, zumal der Vatikan heutzutage unmoglich alle Publikationen uberprufen kann.

Die Glaubenskongregation achtet weiterhin auf den Schutz des Glaubens und beobachtet theologische Publikationen. Abweichungen sucht sie im Dialog und nach einem inzwischen etwas autorenfreundlicheren Verfahren zu losen.

An die Stelle von Bu?erhemd oder Scheiterhaufen treten heute im Extremfall Schweigegebot oder Lehrentzug. Unterdessen erfolgt die Forderung des Glaubens durch Kongresse und Symposien, und in einer Vielzahl von Dokumenten - seit dem Konzil mehr als 100 - zu allen moglichen theologischen und ethischen Fragen. "Thinktanks" der Kongregation sind die angegliederte Internationale Theologenkommission und die Bibelkommission, die solide Forschungsarbeit leisten.

Piusbruder und Missbrauch Themen der Glaubenskongregation

Derzeit gehort zu den Themen der Glaubenskongregation etwa die Einigungsbemuhen mit den traditionalistischen Piusbrudern. Aber es geht auch um die Klarung von Erscheinungen und Formen der Volksfrommigkeit - etwa im herzegowinischen Medjugorie. Neben den Lehrfragen ist die Glaubenskongregation auch fur Disziplinar-Vorgange zustandig. Hier steht seit mehr als einem Jahrzehnt der Kampf gegen sexuellen Missbrauch durch Kleriker im traurigen Vordergrund.

Unklar ist unterdessen, ob Papst Franziskus die Glaubenskongregation im gleichen Ma?e wie seine Vorganger nutzt. Mitunter zieht er Vorgange direkt an sich - wie etwa den Fall Medjugorie. Und zu manchen Themen befragt er auch au?er-vatikanische Experten, etwa namhafte Theologen aus seiner argentinischen Heimat. Mit Spannung wird jetzt auch beobachtet, wie es weitergeht nach der uberraschenden und durchaus spektakularen Ablosung des deutschen Kardinals Gerhard Ludwig Muller an der Spitze der Kongregation durch seinen bisherigen Stellvertreter, den spanischen Jesuiten und Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer.

 

 

 

 

 




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