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50.000 Euro Schweigegeld Fur Missbrauchsopfer in Rheinbach

By Martin Wein and Jorg Manhold
The General-Anzeiger
October 11, 2017

http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/vorgebirge-voreifel/rheinbach/50.000-Euro-Schweigegeld-f%C3%BCr-Missbrauchsopfer-in-Rheinbach-article3673584.html



RHEINBACH. Am Rheinbacher Konvikt des Pallottiner-Ordens gab es Anfang der 1960er Jahre mindestens drei Falle des sexuellen Missbrauch. Ein Tater soll sein Opfer mit 50.000 Euro abgefunden haben.

Von Martin Wein, Jorg Manhold, 11.10.2017

Die Debatte um Missbrauchsfalle im Collegium Josephinum in Bad Munstereifel hat auch neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Pallottiner in Rheinbach gebracht. Der Bad Munstereifeler Opfervertreter Professor Werner Becker ist allerdings an mehreren Stellen ungehalten uber die Informationspolitik der katholischen Kirche. Er selbst war in den in Bad Munstereifel Opfer von sexuellen Ubergriffen geworden.

Jetzt erhebt er Vorwurfe, dass der Pallottiner-Orden, bei dem es Anfang der 1960er Jahre mindestens drei Missbrauchsfalle in den beiden Rheinbacher Internaten „Sankt Albert“ und „Hermann-Josef-Kolleg“ (das spatere Vinzenz-Pallotti-Kolleg) gegeben hatte, einem Opfer Schweigegeld gezahlt habe. Becker berichtet, ihm liege eine eidesstattliche Erklarung des besagten Opfers vor, der zufolge der Provinzial des Ordens ihm 50 000 Euro im Gegenzug zu einem Schweigeversprechen gezahlt habe.

Konkret habe es im Jahr 2009, noch vor dem offentlichen Bekanntwerden der Falle, eine notarielle Vereinbarung zwischen dem mit dem Vorgang beauftragten Pallottiner-Pater Norbert Possmann und dem Opfer gegeben, die einerseits die Zahlung von 50 000 Euro vorsieht und andererseits im Gegenzug „Stillschweigen uber die Sachverhalte des Vergleichs“ verlangt.

„Das hat der Betroffene als Schweigegeld verstanden“, sagt Becker. Das Opfer ist inzwischen verstorben und kann selbst nichts mehr dazu sagen. Allerdings bestatigte auch dessen Bruder dem General-Anzeiger, dass die Zahlung mit einem dauerhaften Schweigen uber die gesamten Vorgange assoziiert wurde. Pallottiner Norbert Possmann bestatigte jetzt den Sachverhalt, will die Zahlung aber anders verstanden wissen. „Es ist nicht ublich und war auch damals nicht ublich, Geld zu zahlen und damit verbunden Stillschweigen zu vereinbaren“, so Possmann. Dies sei nur in diesem einen Fall geschehen, man habe sich auf Anraten des Anwaltes auf diesen Passus geeinigt. „Ich wollte, dass die Leute reden und den Tatern die Macht uber sie nehmen“, so Possmann weiter.

Missbrauch seit 2010 offiziell bekannt

In diesem Fall sei der Orden nur Vermittler des Geldes gewesen, da der Beschuldigte noch lebte und bereit war, diese Summe zu zahlen. Auf Nachfrage des General-Anzeigers konnte Possmann nicht sagen, wie viele Opfer sich in den vergangenen Jahren gemeldet haben. Allerdings war man zunachst lange von einem einzelnen Tater ausgegangen. „In den letzten Jahren gab es auch Beschuldigungen gegenuber drei Mitbrudern, die im Hermann-Josef-Kolleg Rheinbach tatig waren“, so Possmann. Im Ubrigen hatten sich nach den Veroffentlichungen in den Jahren 2010/11 viele Menschen bei ihm gemeldet.

„Aber da ging es oft nicht um Missbrauch, sondern um Benachteiligung in der Schule, um ungerechte Behandlung. Im Fruhjahr 2010 war das Thema Gewalt und Missbrauch im Rheinbacher Konvikt offiziell bekannt geworden. Einer der prominentesten Betroffenen war der Kolner Bap-Sanger Wolfgang Niedecken, der Anfang der 1960er Jahre im Konvikt lebte. Er hatte schon fruh in Liedern und Buchern uber diese Zeit und seine Erlebnisse geschrieben.

Dem General-Anzeiger sagte er vor sieben Jahren auf die Frage, was er erlebt habe: „Ich habe damals mehr als ein Jahr lang mit der Angst gelebt, nachts aus dem Bett geholt zu werden und von dem Prafekten, wie das damals hie?, drangsaliert zu werden. Er hat tagsuber die Hausaufgaben abgefragt, und wenn Du einen Fehler gemacht hast, warst Du reif. Dann musstest Du abends sitzen und Lateintexte auswendig aufsagen. Bei einem Fehler gab es entweder Prugel oder Du durftest auf den Scho?. Dann fing unter dem Vorwand Aufklarung die Fummelei an. Das waren in Wirklichkeit sexuelle Ubergriffe. Wir hatten weniger Angst vor der Fummelei als vor der Prugel. Sollte die Aufarbeitung der Vorfalle in Rheinbach aus eigenem Antrieb der Pallottiner geschehen, ist das zu loben. Insgesamt hat die katholische Kirche aber eine Jahrhunderte alte Tradition im Aussitzen. Ich glaube nicht, dass sich da was andert.“

 

 

 

 

 




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