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Neue Zahlen Des Bistums: Die Dimension Von Gewalt Und Missbrauch Abseits Der Domspatzen

By Stefan Aigner
Regensburg Digital
September 6, 2018

https://www.regensburg-digital.de/neue-zahlen-des-bistums-die-dimension-von-gewalt-und-missbrauch-abseits-der-domspatzen/06092018/

Laut einer aktuellen Veroffentlichung des Bistums Regensburg haben Betroffene von Gewalt und sexuellem Missbrauch bislang rund 4,3 Millionen Euro an „Anerkennungsleistungen“ erhalten. Die nun erstmals veroffentlichten Zahlen zu Betroffenen machen auch deutlich, welche Dimension Gewalt und sexueller Missbrauch in anderen Einrichtungen des Bistums hatte: Bislang wurden fast 300 weitere Betroffene anerkannt.

Es gab keine Mitteilung an die Medien, geschweige denn eine Pressekonferenz: Kommentarlos hat das Bistum Regensburg am gestrigen Mittwoch eine knapp zweiseitige Ubersicht uber „Antrage auf Anerkennung als Opfer sexuellen Missbrauchs und massiver korperlicher Gewalt (…) von 2010 bis August 2018“ auf seinen Internetseiten veroffentlicht. Demnach wurden – Stand 4. September – zwischen 2010 und August 2018 rund 4,3 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen an Betroffene von korperlicher und sexueller Gewalt ausgezahlt.

Fast 60 Opfer sexueller Gewalt – au?erhalb der Domspatzen

Den Lowenanteil davon macht das so bezeichnete „Sonderprojekt Domspatzen“ aus – damit durfte der Zeitraum gemeint sein, innerhalb dessen der Sonderermittler Rechtsanwalt Ulrich Weber eingesetzt war und ein eigens tatiges Anerkennungsgremium uber die Hohe der Auszahlungen entschieden hat. Laut der Veroffentlichung wurde hier zwischen 2015 und Januar 2018 uber 356 Antrage entschieden, von denen 34 wegen sexueller und 321 wegen massiver korperlicher Gewalt „positiv bewertet“ wurden. Ein Antrag wurde abgelehnt, uber zwei wurde noch nicht entschieden. Insgesamt flossen hier 3.221.500 Euro – durchschnittlich also etwas mehr als 9.000 Euro pro Betroffenem.

Fragen werfen allerdings die weiteren Zahlen auf, die sich in der zweiseitigen Ubersicht finden. Abseits des „Sonderprojekts Domspatzen“ haben seit 2010 demnach 95 Menschen weitere 96 Antrage auf Anerkennung als Opfer sexueller Gewalt gestellt. Von denen bislang wurden bislang 60 anerkannt, neun Entscheidungen sind noch offen, in 19 Fallen sei das Bistum nicht zustandig gewesen, acht Antrage wurden abgelehnt oder von den Betroffenen zuruckgezogen. Hier wurden 458.250 Euro an 56 Betroffene ausgezahlt. „Der Hochstbetrag war 17.500 ˆ, die geringste Auszahlung betrug 1.000 ˆ, im Durchschnitt betrug die Zahlung 8.183,04 ˆ“, wird dazu akribisch aufgelistet.

Letzte gemeldete Tat 2016

Unerwahnt bleibt allerdings, in welchen Einrichtungen die anerkannten Taten verubt wurden. Ein Teil davon, das wird am Rande erwahnt, betrifft ebenfalls die Domspatzen, die vor und nach Anlaufen des „Sonderprojekts“ Antrage gestellt haben, der Rest bleibt offen. Genaue Zahlen werden nicht genannt. Ebenfalls unklar ist, wie das Bistum mit den Beschuldigten umgegangen ist – laut der Aufstellung gibt es 36 – ob die Taten bereits verjahrt sind und ob Strafanzeige erstattet wurde. Das ware insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass die letzte gemeldete Tat laut dem Bistum aus dem Jahr 2016 stammt.

Noch augenfalliger werden die Lucken der Bistumsubersicht bei den weiteren Opfern massiver korperlicher Gewalt, die in der Mehrzahl Einrichtungen abseits der Domspatzen betreffen durften. Hier wurden dem Bistum zufolge 231 Manner und Frauen als Betroffene anerkannt. 143 von ihnen wurde ein Pauschalbetrag von 2.500 Euro ausgezahlt – insgesamt 357.500 Euro, weitere 82 Betroffene erhielten bislang 310.000 Euro (durchschnittlich 3.800 pro Person).

Fokus lag bislang fast nur auf den Domspatzen

Auch hier wird nicht thematisiert, in welchen Einrichtungen die Ubergriffe verubt wurden. Einerseits durfte es aber hier um die Bischoflichen Knabenseminare gehen – von den gewalttatigen Ubergriffen dort hat regensburg-digital mehrfach berichtet. Weitere Anhaltspunkte liefert die Zusammensetzung der Beschuldigten, zu denen das Bistum zwar keine Zahl nennt, aber zumindest einraumt, dass 67 Prozent von ihnen weiblich seien. Ebenso seien 34 Frauen unter den Betroffenen massiver korperlicher Gewalt. Hier durfte es um Kinderheime des Bistums Regensburg gehen, wie zum Beispiel jenes der Barmherzigen Schwestern in der Ostengasse.

Unabhangig von den erwahnten Lucken machen die nun erstmals veroffentlichten Zahlen auch die bislang unbekannte Dimension der korperlichen und sexuellen Ubergriffe in weiteren kirchlichen Einrichtungen des Bistums Regensburg deutlich. Der Fokus lag bislang fast ausschlie?lich auf den Domspatzen. Nun wird klar: In Heimen und Knabenseminaren gibt es – bislang – nahezu ebenso viele anerkannte Betroffene korperlicher und fast doppelt so viele anerkannte Betroffene von sexueller Gewalt.

 

 

 

 

 




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