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Staatsanwälte fordern Akten an Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen.

By Angela Walser
OVB Online
October 16, 2018

https://www.ovb-online.de/weltspiegel/bayern/staatsanwaelte-fordern-akten-sexueller-missbrauch-verbrechen-10331931.html

Ein Priester hält einen Rosenkranz in Händen – und eine Erklärung zu den Missbrauchsfällen.

[Prosecutors request acts Sexual abuse is a crime.]

Staatsanwälte fordern Akten an. Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen.

Die Täter müssen oft jahrelang hinter Gitter. In der katholischen Kirche blieb der aktenkundig gewordene Missbrauch bislang strafrechtlich ungesühnt. Ein geschlossenes System schützte die Täter. Doch die Generalstaatsanwaltschaft will das nun ändern.

München – Es ist immer der gleiche Satz, der fällt, wenn in der Missbrauchs-Problematik der Ruf nach der Staatsanwaltschaft laut wird. „Wir brauchen einen konkreten Anhaltspunkt, um ermitteln zu können“, sagen die Ankläger. Sie scheuen sich nicht vor der Arbeit, vor dem Umgang mit Opfern und Tätern und der Aufarbeitung eines Tabuthemas. „Doch so ist der Rechtsstaat“, erklärt die Münchner Oberstaatsanwältin Anne Leiding und fügt hinzu: „Auch das Handeln von Ermittlungsbehörden folgt Regeln.“ Sie und ihre Kollegen könnten nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsstudie innerhalb der katholischen Kirche nicht wild in den Archiven herumstöbern. Selbst wenn ihnen ein Bischof drei Leitzordner übergeben würde, müsste er einen Grund nennen, „warum wir da reinschauen dürfen“, sagt Leiding.

Doch jetzt haben sich die Generalstaatsanwaltschaften München, Bamberg und Nürnberg eingeschaltet. Schriftlich forderten sie die Bischöflichen Ordinariate auf, einschlägige Fälle zur Anzeige zu bringen – vorausgesetzt Ort, Zeit, Handlungen und Beteiligte können genannt werden. Denn ein Hinweis auf eine verfolgbare Straftat muss immer sehr konkret sein. Es reicht nicht, dass jemand irgendwann etwas Halbwahres gesagt hat. Es muss etwas Greifbares geben, dann dürfen die Ermittler ran, dann können Akten beschlagnahmt werden, müssen die Ordinariate ihre Archive öffnen.

Nach der Aufforderung der Justiz müssen die kirchlichen Institutionen nun reagieren. „Wir nehmen insoweit die katholischen Bischöfe beim Wort, die öffentlich alle Anstrengungen zur Aufklärung von sexuellem Missbrauch zugesichert haben“, erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München.

Von den Opfern werden vermutlich nicht alle diesen Vorstoß begrüßen. Viele trauten sich aus Scham nie an die Öffentlichkeit. Das kann daran liegen, dass die Taten mitunter viele Jahre zurückliegen und die heute Erwachsenen längst mit dem Thema abgeschlossen haben.

„Geschädigte ringen oft sehr lange mit sich und machen dann doch keine Anzeige, das müssen wir akzeptieren“, sagte Anne Leiding. Die Erfahrung zeige, dass gerade junge Opfer über ihren sexuellen Missbrauch und ihre traumatischen Erlebnisse oft erst sehr viel später sprechen würden. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber 2015 die Verjährungsfristen ausgedehnt. Sie kann bei schwerem sexuellen Missbrauch bis zum 30. Geburtstag ruhen und läuft dann 20 Jahre lang. Die Opfer wären dann 50, ihre Peiniger vielleicht 70 und älter. Einige Täter müssten also noch zu fassen sein.

Die lange Wartezeit zwischen Tat und Anzeige birgt allerdings die Gefahr, dass sich die Vorwürfe nicht mehr genau nachvollziehen und zeitlich eingrenzen lassen. So verlangt es aber das Strafrecht. Für die Opfer ist so ein Aufklärungsprozess zudem extrem belastend, insbesondere, wenn sie am Ende vergeblich auf die Anerkennung ihres Leids warten. Auch deshalb wird der letzte Schritt zur Anzeige oft nicht gemacht. „So ein Ermittlungsverfahren kann tatsächlich Täter wie Opfer vernichten“, bestätigt der langjährige Oberstaatsanwalt und jetzige Richter sowie Sprecher am Oberlandesgericht, Florian Gliwitzki. Das erklärt vielleicht, warum auch die Ermittlungsbehörden am konkreten Anfangsverdacht nicht vorbeikommen.

Die Ordinariate in Bamberg und Würzburg haben bereits erklärt, dass sie die strafrechtliche Überprüfung vollumfänglich unterstützen werden. Von der Staatsanwaltschaft in Regensburg kam die Rückmeldung, dass sie derzeit die Missbrauchsstudie auswerte und bei Bedarf weitere Informationen von der Kirche anfordere. Die anderen Ordinariate werden sicher nachziehen, schon aus dem Grund, nicht in den Verdacht der Vertuschung zu geraten. Das würde den Tatbestand der Strafvereitelung erfüllen und kann wiederum mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.




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