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Ehemaliger Messdiener Belastet Bischof Und Priester

By Sebastian Engelbrecht
Studio 9
November 24, 2018

https://www.deutschlandfunkkultur.de/sexueller-missbrauch-im-bistum-hildesheim-ehemaliger.2165.de.html?dram:article_id=433939

Eine Studie enthullte, dass auch im Bistum Hildesheim Minderjahrige sexuell missbraucht wurden, ohne die Tater zu nennen. Doch hier besteht der Verdacht, dass eine Gruppe von Klerikern systematisch Missbrauch betrieb – darunter der langjahrige Bischof von Hildesheim.

Heiner Wilmer ist erst wenige Wochen Bischof von Hildesheim, als ihn die Mail eines 70-jahrigen Mannes erreicht:

„Am 3. Oktober bekomme ich eine Email, wo sich jemand uber seine Zeit Ende der 50er-Jahre in Hildesheim ausschreibt und berichtet, wie er massiv missbraucht worden ist durch Jugendliche, also Gleichaltrige, dann aber auch durch einen Lehrer, durch andere Priester und eben durch den Bischof, zu dem er von einem Priester gefahren wurde.“

Wenn es stimmt, was der Mann schreibt, dann ist einer seiner Vorganger im Amt, Bischof Heinrich Maria Janssen, ein Missbrauchstater.

Verdacht auf systematischen Kindesmissbrauch

Schon vor drei Jahren erklarte ein ehemaliger Ministrant, Janssen haben ihn zum Oral- und Analverkehr gezwungen. Der Mann bekam Geld vom Bistum zur Anerkennung des Leids, der ehemalige Bischof wurde jedoch nicht als Tater bezeichnet. Nun steht daruber hinaus der Verdacht im Raum, dass eine Gruppe von Klerikern – darunter Janssen – systematisch Kinder missbrauchte. Janssen war von 1957 bis ‚82 Bischof von Hildesheim. Er ist Ehrenburger der Stadt, eine Hauptstra?e ist nach ihm benannt, seine Gebeine ruhen im Dom. Noch zumindest.

Das Gesundheitsministerium will den Fall aufklaren

An der Aufarbeitung des Falls arbeitet Bischof Wilmer gemeinsam mit Andrea Fischer. Die fruhere Bundesgesundheitsministerin leitet seit Dezember vergangenen Jahres den bischoflichen Beraterstab sexualisierte Gewalt. Auch sie kennt die Email vom 3. Oktober:

„Der Betroffene war Messdiener in Hildesheim. Er beschrieb auch ein Missbrauchsvergehen durch Bischof Janssen. Demnach soll der Bischof den Messdiener aufgefordert haben, sich nackt vor ihm auszuziehen. Der Bischof soll ihn anschlie?end mit den Worten weggeschickt haben, er konne ihn nicht gebrauchen. Zum Bischof gebracht und wieder abgeholt wurde der Betroffene seinen Angaben zufolge durch den Leiter des Bernwardshofs.“

Netzwerk von Tatern

Was ihm Ende der 50er-Jahre passierte, schilderte der Zeuge der Leiterin des Beraterstabs und dem heutigen Bischof Wilmer Mitte November im personlichen Gesprach. Er berichtete, er sei auch vom Leiter des Bernwardshofs, eines katholischen Kinderheims in Hildesheim, und von einem Kaplan am Hildesheimer Kinderheim Johannishof missbraucht worden.

Heiner Wilmer will nun eine externe Untersuchungskommission einsetzen. Sie soll herausfinden, ob die Tater – Bischof Janssen, die Priester an der Spitze der Kinderheime, der Kaplan und andere – zusammengearbeitet haben.

Die Studie nennt keine Tater

Die Untersuchung im Auftrag der Bischofskonferenz, die sogenannte MHG-Studie, lasst absichtsvoll eine Lucke: Sie benennt keinen Verantwortlichen. Deshalb haben sechs Professoren fur Strafrecht Ende Oktober Strafanzeigen bei allen Staatsanwaltschaften in Deutschland eingereicht, die fur die 27 Diozesen zustandig sind. Einer von ihnen ist der Hamburger Strafrechtler Reinhard Merkel:

„Wir wollen, dass die Staatsanwaltschaften ihrer Pflicht genugen, namlich diese Lucken aufklaren. Die Staatsanwaltschaften konnen das, und nicht nur das, sie mussen das, wenn ein hinreichender Anfangsverdacht auf Begehen einer Straftat gegeben ist.“

Damit besteht nach Ansicht der Strafrechtsprofessoren ein „zwingender Anlass zur Einleitung von Ermittlungsma?nahmen zur Uberfuhrung der Tater“. Gesetzesanderungen seien dafur nicht notig, meint Reinhard Merkel. Die Staatsanwaltschaften hatten das Recht, bei hinreichendem Tatverdacht auf kirchliche Archive zuzugreifen.

Schmerzensgeld von der Kirche

Den Opfern sexuellen Missbrauchs macht Merkel Mut, nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich vorzugehen. Sie konnten Schadenersatzanspruche gegenuber den Kirchen geltend machen – auch wenn der jeweilige Tater nicht mehr am Leben sei. Reinhard Merkel sagt:

„Ich meine, das ist der Fall. Das richtet sich nicht nur gegen den jeweiligen Tater, sondern schon auch gegen die Institution, die gegebenenfalls ein eigenes Verschulden trifft, mindestens ein Uberwachungsverschulden, das solche Dinge unmoglich gemacht hatte oder deutlich erschwert hatte, also diese sexuellen Ubergriffe erschwert hatte. Ich meine, die Chancen waren gut, dann wenigstens einen Schadensersatzanspruch in Verbindung mit einem fairen Anspruch auf Schmerzensgeld von der Kirche einzuklagen.“

 

 

 

 

 




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