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Warum der Regensburger Bischof den Medien Verleumdung der katholischen Kirche vorwirft

regensburg-digital.de
November 29, 2018

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Spricht vom „Missbrauch des Missbrauchs“: Bischof Rudolf Voderholzer.

[Why the bishop of Regensburg accuses the media of defamation of the Catholic Church]

Ende Oktober hat sich der Regensburger Bischof Voderholzer mit einer Predigt an sein Kirchenvolk gewandt. Anlass war die MHG-Studie, „die uns als Kirche von Regensburg in den letzten Wochen arg zugesetzt und viele Gläubige stark verunsichert“ habe. Wie schon sein Vorgänger unterstellt der Regensburger Bischof Medien und Kritikern ein politisches Kalkül und greift dabei sogar auf die reaktionäre und täterschützende Floskel vom Missbrauch mit dem Missbrauch zurück.
Unser Gastautor Alfred Gassner antwortet Voderholzer. Er ist Jahrgang 1939, wurde 1950 Seminarschüler im Studienseminar St. Augustin in Weiden und musste dort sexuelle Übergriffe durch einen Kleriker erleiden. Mit der Begründung, er sei eine moralische Gefahr für die Mitschüler und das Ansehen des Hauses, wurde Gassner des Seminars verwiesen. In die MHG-Studie ist der „Fall Gassner“ nicht  eingeflossen, weil der übergriffige Kleriker nicht im Auftrag des Bistums sondern nur für seinen Orden arbeitete.

Voderholzer: Medien und Strafanzeige erstattende Professoren wollen Kirche verleumden

In seiner Predigt zur Wolfgangs-Woche 2018 verteidigt Bischof Voderholzer den katholischen Pflichtzölibat für Priester und damit das katholischen Herrschaftssystem und dessen Eigengesetzlichkeit: er spricht das sexuelle Enthaltsamkeitsgebot für Priester von jeder Ursächlichkeit für das kirchliche Missbrauchsdilemma frei. Die Medien und die Strafanzeige erstattenden Professoren würden das Missbrauchsthema instrumentalisieren, um die Kirche zu verleumden und ihr zu schaden.
Missbrauch an Schutzbefohlenen ist ein kriminelles Dreiecksgeschehen: den Opfern treten nicht nur die pervers handelnden Täter als Einzelpersonen zu nahe, sondern auch die institutionelle Kirche als Mittäterin, deren tatenloses Zuschauen die strafbaren Aktionen der Täter ja erst ermöglicht hatte.

Die katholische Kirche verlangt einerseits von ihren Priestern auf Lebensdauer den Verzicht auf jegliche Sexualität; Priester müssen ihre Triebhaftigkeit verdrängen oder im Dunklen auszuleben. Diese künstlichen Tabuzonen um die Sexualität können (müssen aber nicht zwingend) zu Persönlichkeitsstörungen führen, die irgendwann ein perverses Gelüste nach Befriedigung suchen und dann strafrelevant werden. Von daher spricht nach meiner Lebenserfahrung mindestens eine hohe Wahrscheinlichkeit für versteckte Zusammenhänge zwischen Zölibat und sexueller Gewalt.

Zölibat ist für Bischof „die Lebensform Jesu und der Apostel“

Voderholzer bestreitet diesen zuletzt auch von der MHG-Studie zumindest angedeuteten Zusammenhang erbost, kann das Gegenteil aber nicht beweisen. Stattdessen lenkt Bischof Rudolf von der eigentlichen Frage ab, in dem er dogmatisch und ohne jeden Bezug behauptet, die unverrückbare Grundlage des Zölibats sei „die Lebensform Jesu und der Apostel“.

So eingeordnet darf man aus Voderholzers Turbo-These wohl auch schließen, dass er solche Beweise nicht in Händen hat und andere Ziele verfolgt. Ich vermute, dass ihm die Aufarbeitung der historischen Missbrauchslast zu anstrengend wurde und er nicht generell ausschließen kann, dass der Pflichtzölibat vermutlich doch ein wesentliches Glied in der Ursachenkette des kirchlichen Missbrauchsgeschehens ist. Seine Argumentation ist zudem unredlich.

Niemand wirft der Kirche oder der Gesamtheit katholischen Priester ernsthaft vor, alle Priester wären wegen des Pflichtzölibats Missbrauchstäter oder generell missbrauchsanfällig. Die öffentliche Anklage richtet sich ausschließlich gegen die institutionelle Presbyterkirche und moniert deren systembedingtes, institutionelles Versagen bei der Abwehr und Aufdeckung der bekannten und unbekannten Missbrauchsfälle an Schutzbefohlenen in kirchlichen Einrichtungen. Die Kritik benennt als Gründe für dieses Versagen vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Dienstaufsichtspflicht, Vernachlässigung von Präventionspflichten, Vertuschen, Leugnen, Aktenmanipulationen, Verletzung von Anzeigepflichten, die in ein regelrechtes geheimes Täterschutzprogramm für klerikale Missbrauchstäter mündeten. Diese Vorwürfe sind berechtigt und längst amtlich eingestanden. Allein, Konsequenzen will Voderholzer offenbar keine ziehen.

Altarkulissen im altrömischen Stil

Voderholzers Appell hat meines Erachtens etwas ganz anderes im Auge. Er macht Kirchenpolitik in eigener Sache. Er bereut nicht wirklich das tatenlose Zuschauen und das Täterschutzprogramm seiner Amtsvorgänger bei der Duldung von Missbrauchstätern in den eigenen Reihen und leitet keinerlei Konsequenzen daraus ab. Voderholzer ist offensichtlich schon wieder dabei, Altarkulissen im altrömischen Stil um die Presbyterkirche zu bauen, um nach dem Aussitzen des Missbrauchsskandals die Kirche wieder auf die alten Pfade einschwenken zu lassen. Sein Fernziel ist die Erhaltung der außerstaatlichen Eigengesetzlichkeit und Immunität der Kirche. Auch in der Zukunft soll niemand in die Lage versetzt werden, hinter die Kulissen der Ordinariate zu schauen. Darf man Voderholzer so gesehen überhaupt noch glauben und vertrauen?

Der Regensburger Bischof sollte lieber initiativ, sichtbar und glaubwürdig bereuen, im eigenen Haus aufräumen, präventiv Akten öffnen, institutionelle Versäumnisse transparent machen. Der institutionelle Schutz der Kirche für Missbrauchstäter war in sich schon so böse, als dass man den Missbrauch nochmals hätte missbrauchen können, unabhängig davon, ob nun der Pflichtzölibat als solcher allein oder nur mit-ursächlich war oder nicht. Bischof Voderholzer hat das offensichtlich immer noch nicht kapiert, wie seine irrlichternde Predigt zur MHG-Studie zeigt.

 




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