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61 Schritte Gegen Missbrauch

By Tobias Rosmann
Frankfurter Allgemeine Zeitung
June 13, 2020

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/wie-das-bistum-limburg-mit-missbrauch-umgehen-will-16813501.html

Dem Bistum Limburg werden in einer Studie Fehler im Umgang mit Betroffenen und Tatern attestiert. Der Bischof verspricht, den Anderungsvorschlagen der Experten zu folgen.

In knapp ein Jahr wahrender Arbeit haben 70 Experten 61 konkrete Ma?nahmen erarbeitet, um sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Bistum Limburg kunftig zu verhindern. Die 420 Seiten dicke Zusammenfassung des Projekts „Betroffene horen – Missbrauch verhindern“ wurde am Samstag in der Paulskirche an die Auftraggeber, den Limburger Bischof Georg Batzing und die Prasidentin der Limburger Diozesanversammlung, Ingeborg Schillai, ubergeben.

Batzing versprach: „Wir werden die Ma?nahmen umsetzen.“ Nicht immer exakt nach dem Expertenvorschlag, aber stets nach dessen Geist, Intention und Richtung. „Das sind wir den Betroffenen schuldig.“

Weil Batzing seit Marz auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, gilt sein Umgang mit einer solch kritischen Studie als wichtig fur die anderen 26 deutschen Diozesen. Schillai sagte: „Die Ergebnisse der Studie schreien danach, dass wir endlich wirksam gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche und gegen seine Vertuschung vorgehen.“

Ein „unbeschreiblich gro?es Ma? an Elend und Leid“

Zu den Ma?nahmen, die von Wissenschaftlern, Kirchenvertretern und Betroffenen erarbeitet worden sind, gehoren eine Reform der Priesterausbildung, eine Doppelspitze in der Gemeindeleitung aus einem Priester und einer hauptamtlich beim Bistum beschaftigten Theologin, anders strukturierte Entscheidungsgremien, eine professionelle Aktenfuhrung, eine intensive Pravention, eine Kommunikation, die sich den Betroffenen zuwendet und deren Perspektive in den Fokus nimmt sowie eine wirksame Disziplinarordnung fur Kleriker. Die einzelnen Punkte wurden in neun Teilprojekten erarbeitet. Das Limburger Projekt vertieft die Erkenntnisse aus der MHG-Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche von Herbst 2018. Auch andere Bistumer haben mit einer eigenen weitergehenden Aufarbeitung begonnen.

Die von vielen Betroffenen gewunschte offentliche Nennung der Tater und Vertuscher konne es „aus juristischen Grunden“ nicht geben, sagte Josef Bill, ehemals Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt. Seine Teilprojektgruppe hatte sich mit der Aufklarung von 46 erfassten Missbrauchsfallen beschaftigt. Die Klarnamen der Kleriker konnten daher nur den Auftraggebern des Projekts genannt werden.

Bill schilderte beispielhaft zwei Falle, die schweres Fehlverhalten bei Verantwortlichen und gro?e Verletzungen bei den von Missbrauch Betroffenen offenbaren. Der Jurist beschrieb ein „unbeschreiblich gro?es Ma? an Elend und Leid“. Andererseits habe seine Arbeitsgruppe eine erhebliche Portion von sexuell motivierter und „unvorstellbar schlimmer padosexueller Eigensucht der beschuldigten Tater“ ermittelt. Vorgesetzte seien „infam und geradezu verlogen“ vorgegangen, indem sie mit den Tatern sogar „Sprachregelungen“ zum Vertuschen der Taten vereinbart hatten.

Ein Aufbruch durch das Projekt

Um die Vorschlage der 70 Experten zu realisieren, kundigte Batzing an, fur zunachst drei Jahre eine unabhangige diozesane Kommission zu berufen. Zwei der sieben Mitglieder sollten aus den Reihen der Experten gewahlt, zwei vom Diozesansynodalrat bestimmt werden. Zwei weitere Mitglieder sollten aus dem Kreis der Betroffenen stammen, eine siebte Person werde von ihm benannt. Um all das zu koordinieren, werde auch er jemanden beauftragen, eventuell auch eine Doppelspitze. Klar sei: „Wir konnen uns heute nicht auf die Schulter klopfen und sagen: Es ist geschafft. Es ist nicht beendet, wir fangen jetzt an.“

Zuvor hatten etliche Redner in der Paulskirche ihre Sicht auf das Projekt erlautert. Zwei von sexueller Gewalt Betroffene, Martin Schmitz und Lisa Scharnagl, schilderten ihr Leid und den Umgang von Bistumsverantwortlichen damit. Scharnagl sagte: „Hort auf zu glauben, dass das, woruber wir hier heute reden, in der Vergangenheit liegt.“ Missbrauch gebe es weiterhin.

Die externe Projektbeobachterin Claudia Burgsmuller sprach von einem Aufbruch durch das Projekt. Es habe „der harten Kultur des Verschweigens im Bistum Limburg seine Arbeitsergebnisse entgegengesetzt“. Projektleiterin Dewi Suharjanto dankte den Betroffenen fur deren Mitarbeit. Ihre Perspektive sei entscheidend. Es gehe auch um die „Dokumentation eines Verbrechens“.

 

 

 

 

 




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