DEUTSCHLAND
Psychologie-Aktuell
Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche bleiben ihren Glaubensvorstellungen verhaftet und ihren realen Empfindungen fremd
Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche sind oft religiös geprägt. Glaubensvorstellungen und Rituale formen das Erleben, Deuten und alltagspraktische Handeln. Auch wenn sich Betroffene nach der sexuellen Traumatisierung von der Kirche distanzieren, bleiben sie in der Verarbeitung der Geschehnisse religiösen Deutungsmustern verhaftet. Sandra Fernau stellt in einer qualitativen Studie beispielhafte Opfer vor. Die Arbeit erschien in “Psychoanalyse – Texte zur Sozialforschung”.
Ein Mann, als 14jähriger in einem Internat missbraucht, hält seine Geschichte ein halbes Jahrhundert geheim und sucht erst dann das Gespräch mit der Wissenschaftlerin. Er fürchtet, durch die Aufdeckung stigmatisiert und in der dörflich-katholischen Gemeinschaft isoliert zu werden. “Die Angst vor negativen Fremdzuschreibungen wird durch Selbstvorwürfe mitbedingt und zugleich verschärft.” Der Mann spricht von einem “Kainsmal” und leidet unter der Vorstellung, “durch den erlebten sexuellen Missbrauch eine Schuld vor Gott auf sich geladen zu haben.” Hier zeigt sich, “dass der Betroffene noch Jahrzehnte nach den Übergriffen der Suggestion von Freiwilligkeit und Komplizenschaft unterliegt. Das Opfer weist sich im Rahmen einer katholischen Semantik selbst die Schuld für sexuelle Gewalterfahrungen zu.”
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