Man lernt damit umzugehen, dass der Staat immer Recht hat

LEIPZIG (GERMANY)
Mitteldeutsche Rundfunk

[Summary: The Independent Commission on the Elimination of Sexual Child Abuse held a public hearing on October 11, 2017 in Leipzig on child sexual abuse in the former East Germany. Survivors spoke about their experience of this taboo subject. With video report and comments.]

Missbrauch von Kindern und Jugendlichen – das gab es in der DDR offiziell nicht. Doch viele Jahre nach der Wende zeigt sich ein anderes Bild. Auf einem öffentlichen Hearing in Leipzig erzählen Betroffene am Mittwoch aus ihrer Jugend, die geprägt war von Gewalt.

“Ich bin als Säugling bis zum 18. Lebensjahr in Einrichtungen aufgewachsen, die der Umerziehung galten. Im Prinzip konnten die mit einem tun und lassen, was sie wollten.” Wenn René Münch diesen Teil seiner Lebensgeschichte erzählt, bekommt man als Zuhörer zwangsläufig einen Kloß im Hals. Bis zu seinem 18. Geburtstag musste er einiges über sich ergehen lassen: Berührungen von Erziehern im Intimbereich und auch sexuelle Übergriffe von älteren Heimkindern, Erziehern und dem Mann seiner Mutter.

Über seine Erlebnisse spricht Münch erst seit 2012. Als er mit der Aufarbeitung seiner Geschichte beginnt, ist er 51 Jahre alt. “Über die Heimerziehung spricht man, aber dass dort auch sexueller Missbrauch stattgefunden hat, darüber spricht man nicht. Das liegt aber auch an uns Betroffenen. Man muss die Hemmschwelle überschritten haben. Ich habe gesagt, damit muss man an die Öffentlichkeit gehen. Denn das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und man leidet auch das ganze Leben drunter.”

“Der Staat durfte nicht beschmutzt werden”

Die Geschichte von René Münch ist längst kein Einzelfall – obwohl es Missbrauch in der DDR offiziell nie gegeben hat. Erst seit 2010 bekommt diese Fassade erste Risse. Mittlerweile hat eine Aufklärungskommission die Arbeit aufgenommen, um Betroffenen von sexuellem Missbrauch in der DDR Recht und Gehör zu verschaffen. Mitglied der Kommission ist auch die ehemalige Familienministerin Christine Bergmann. Nach einem Jahr Arbeit stellt sie fest: “Das Thema sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen war in der DDR weit mehr und länger tabuisiert als in den alten Bundesländern. Egal ob in der Familie oder in Heimen. Es passte nicht in die heile sozialistische Gesellschaft. Der Staat durfte nicht beschmutzt werden.”

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